Ozonabbau über der Arktis

Aus Klimawandel

Über der Arktis kommt es seit etwa 20 Jahren in jedem Spätwinter und Frühjahr zu starken Ozonverlusten durch die chemische Reaktion mit Chlor- und Bromradikalen. Die Ozonzerstörung ist jedoch wesentlich geringer als über der Antarktis. Während hier die Ozonwerte in den 1990er Jahren um ca. 100 DU unter dem Mittel von 1970 bis 1982 lagen, nahmen sie über der Arktis nur um ca. 50 DU ab , bei um etwa 100 DU höheren Ausgangswerten. Über der Arktis ist es weder zur Ausbildung eines Ozonlochs noch auch nur annähernd zur Ausräumung des Ozons in bestimmten Höhen gekommen.


Einfluss der Klimaverhältnisse über der Arktis auf den Ozonabbau

Die Unterschiede sind in den verschiedenen Klimaverhältnissen begründet, die wiederum durch die unterschiedliche Land-Meer-Verteilung bedingt sind. Der nahezu kreisförmig um den Südpol liegende antarktische Kontinent und die umgebenden geschlossenen Wassermassen begünstigen hier im Winter eine starke Abkühlung und Isolation des inneren Polarbereichs gegenüber niedereren Breiten. Über dem arktischen Ozean dagegen sinken die Temperaturen nie so tief wie über den antarktischen Landmassen. Und die unregelmäßige Verteilung von Land- und Wassermassen um den Arktischen Ozean herum ist die Grundlage einer wesentlich stärkeren atmosphärischen Dynamik.

Die höhere atmosphärische Dynamik auf der Nordhalbkugel hat drei wichtige Folgen:

1. kommt es häufiger zum Einstrom wärmerer und ozonreicher Luft aus niederen Breiten, woraus sich der von Natur aus höhere Ozongehalt über der Arktis erklärt,

2. verhindern die häufigeren Warmlufteinrüche eine durchgehend kalte polare Stratosphäre und

3. ist der arktische Polarwirbel infolgedessen wesentlich instabiler als sein antarktisches Gegenstück.

Die sich bis in die Stratosphäre ausbreitenden planetaren Wellen können ihn von einer polzentrierten Lage abdrängen, ihn verformen oder auch mitten im Winter ganz zusammenbrechen lassen, was dann mit einer dramatischen Erwärmung und dem Einstrom ozonreicher Luft verbunden ist. Ein instabiler arktischer Polarwirbel und relativ hohe Wintertemperaturen führen letztlich dazu, dass sich über der Arktis wesentlich seltener und kurzfristiger PSCs ausbilden, auf deren Partikeln die für das Ozon eigentlich gefährliche Chemie abspielt.

Die starke atmosphärische Dynamik rund um den Nordpol erklärt auch, warum der arktische Ozongehalt von Jahr zu Jahr, aber auch innerhalb einer Jahreszeit viel stärker schwankt als der antarktische. Sowohl der Ozontransport als auch die chemischen Zerstörungsprozesse an PSC-Partikeln unterliegen einer wesentlich stärkeren Variabilität. Das bedeutet auch, dass der arktische Ozongehalt erheblich von klimatischen Veränderungen beeinflusst wird. So hat die in jüngster Zeit beobachtete Verstärkung der Arktischen bzw. Nordatlantischen Oszillation (AO bzw. NAO), bei der zonale Winde vorherrschen, zu einer Abschwächung meridionaler Transporte geführt und damit zu einer geringeren Zufuhr wärmerer, ozonreicher Luft und so zu einer Begünstigung der Bildung von PSCs. Setzt sich dieser Trend in der Zukunft fort, eine stärkere NAO/AO wird als Folge des anthropogenen Klimawandels diskutierte, könnte die künftige Ozonentwicklung auch wesentlich durch Klimaänderungen beeinflusst werden. Schon heute werden die klimaänderungsbedingten Anteile des Ozontrends in der unteren Stratosphäre auf 20-50% beziffert.25

Jüngere quantitative Untersuchungen stützen diese Überlegungen und zeigen, dass die Abhängigkeit des arktischen Ozonverlustes von klimatischen Verhältnissen sogar dreimal so stark ist, als in bisherigen Modellsimulationen angenommen.26 Dabei zeigte sich eine enge Beziehung zwischen Temperaturveränderungen, der Ausdehnung der PSC und dem Verlust von Ozon. Eine Abkühlung der unteren arktischen Stratosphäre um 1 °C im Winter/Frühling hat in den letzten Jahrzehnten im Mittel eine Vergrößerung des Volumens der PSC um 7,7 Mio km3 und einen Ozonverlust von 15 DU zur Folge gehabt. Seit den späten 1960er Jahren hat sich entsprechend die beobachtete tendenzielle Abkühlung der arktischen Stratosphäre in einer Verdreifachung der Maxima des PSC-Volumens ausgewirkt. Besonders ausgeprägt war das PSC-Volumen im Winter/Frühjahr 2005. Die Abkühlung der polaren Stratosphäre ist qualitativ konsistent mit den direkten Strahlungsfolgen der Zunahme der Treibhausgaskonzentration in der Troposphäre. Allerdings spielen hier auch die bereits erwähnten indirekten Folgen des Klimawandels auf die stratosphärische Dynamik wie auch eine mögliche natürliche Variabilität eine Rolle.