Klimawirkung von Aerosolen

Aus Klimawandel
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Veränderung des Strahlungsantriebs durch Aerosole 1750-2015

Welche Wirkung hat der Einfluss der Aerosole insgesamt auf das globale Klima und besonders auf den gegenwärtig zu beobachtenden Klimawandel?

Strahlungs- und Temperaturwirkung

Temperaturdifferenz zwischen dem vorindustriellen Wert (0 °C) und der Gegenwart durch verschiedene Antriebe über Land

Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die langlebigen Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan oder Distickstoffoxid angetrieben. Sie haben bis 2018 gegenüber 1750 zusammengenommen einen Strahlungsantrieb von 3,32 W/m2 bewirkt. Davon wurden allein durch Kohlendioxid 2,16 W/m2 verursacht, durch Methan 0,54 W/m2 und durch Distickstoffoxid 0,21 W/m2. Aerosole sind jedoch die Gegenspieler der Treibhausgase. Sie maskieren einen Teil der globalen Erwärmung, laut jüngsten Bericht des IPCC um ca. -1,06 W/m2 und damit um ca. ein Drittel des Strahlungsantriebs der Treibhausgase seit 1750.[1] Die Abschwächung der Erwärmung durch Aerosole ist jedoch in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.

Die stärkste Wirkung hatten Aerosole in Temperaturwerten ausgedrückt um 1980 mit -0,85 °C. 2010 waren es nur noch -0,72 °C, wobei allein Sulfataerosole -0,55 °C dazu beitrugen. Die globale Mitteltemperatur von 2010 wäre allerdings ohne Aerosole bereits um 1970 erreicht worden. Aerosole haben damit den Klimawandel um 40 Jahre verzögert, regional allerdings sehr unterschiedlich.[2] Vom jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2021 wird eine Temperaturveränderung für die direkte Wirkung von Aerosolen von -0,13 °C und -0,38 °C für die indirekte Wirkung von Aerosolen angenommen. Dem steht eine Erwärmung durch langlebige Treibhausgase und Ozon von 1,81 °C gegenüber.[3] Ohne den Aerosol-Effekt wäre die 1,5 °C Grenze der Pariser Klimaziele zu einem „gefährlichen“ Klimawandel bereits überschritten.[4]

Während sich die Corona-Pandemie auf die Konzentration von Treibhausgasen aufgrund der langen Verweilzeit von Kohlendioxid, aber auch von Distickstoffoxid in der Atmosphäre kaum ausgewirkt hat, hat der in vielen Staaten verhängte Lockdown zur Eindämmung der Pandemie in den normalerweise stark belasteten Regionen zu einer deutlichen Absenkung der Aerosolkonzentration geführt. Eine Untersuchung zu den Auswirkungen des COVID-19-Lockdowns über Südasien kam zu dem Ergebnis, dass die Aerosolbelastung im Jahr 2020 vor allem durch den Rückgang der Nutzung fossiler Energien im Verkehrssektor um 18% gesunken ist. Die Folge war eine Zunahme der Sonneneinstrahlung über Südasien gemittelt um 1,4 W/m2. Aus diesen Beobachtungsergebnissen ergibt sich, dass die globalen Klimaschutzmaßnahmen nicht nur eine längerfristige Abkühlung durch die Abnahme der Treibhausgasemissionen, sondern durch den damit verbundenen Rückgang der Aerosolbelastung auch eine unmittelbare Erwärmung zur Folge haben.[5]

Die klimatischen Auswirkungen von anthropogenen Aerosolen, d.h. hauptsächlich von Sulfat-Aerosolen, Ruß und organischen Kohlenstoffaerosolen, hängt auch stark von der geographischen Verbreitung der Aerosol-Emissionen ab. So ist der global gemittelte Abkühlungseffekt durch Aerosol-Emission in Europa mit -0,29 °C 14mal größer als durch identische Emissionen in Indien mit 0,02 °C. Im Mittel besitzen die höheren Breiten einen höheren globalen Temperatur-Effekt als niedere Breiten, wobei es auch Unterschiede in denselben Breiten gibt.[6]

Wirkung auf die Niederschläge

Aerosole besitzen auch einen Einfluss auf die Niederschläge. Zum einen verringert der Abkühlungseffekt durch Aerosole die Verdunstung und damit den für Niederschläge zur Verfügung stehenden Wasserdampf. Zum anderen erhöhen Aerosole zwar die Anzahl der Kondensationskerne in der Atmosphäre und damit auch die Wolkenbildung. Es kommt jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Kondensationskernen eher zur Bildung von kleinen Tröpfchen (also von Wolken) als von größeren Tröpfchen, die zu Niederschlägen führen, wodurch in einer aerosolbelasteten Atmosphäre die Niederschläge abnehmen. Eine weitere Folge ist, dass damit auch die Lebensdauer von Wolken und ihre abkühlende Wirkung verlängert werden. Die für die Zukunft prognostizierte Abnahme anthropogener Aerosole würde das Gegenteil zur Folge haben. Eine Modelluntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die (theoretische) Entfernung der gegenwärtigen durch menschliche Aktivitäten verursachten Aerosole aus der Atmosphäre, nicht nur eine Erwärmung von 0,5-1,1 °C zur Folge haben würde, sondern auch eine Zunahme der Niederschläge um 2,0-4,6%.[7] Für Europa wurde für diesen Fall eine Zunahme der Niederschläge um 13 mm/Jahr berechnet.[8]

Änderungen der Niederschläge durch anthropogene Aerosole sind besonders in den Monsunregionen der Nordhalbkugel, wo 60% der Weltbevölkerung leben und stark von den Monsunniederschlägen abhängig sind, von erheblicher Bedeutung.[9] Die Niederschläge des nordhemisphärischen Monsuns haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen. Der Grund ist zumeist eine Zunahme der Emission anthropogener Aerosole. In den tropischen Monsungebieten ist die Verdunstung stärker begrenzt durch die verfügbare Energie für die Verdunstung als durch die Wasserverfügbarkeit. Eine höhere Aerosolkonzentration verringert jedoch die solare Einstrahlung und damit die zur Verfügung stehende Energie durch direkte Streuung und indirekt durch vermehrte Wolkenbildung. Dadurch wird sowohl die Temperaturdifferenz zwischen Nord- und Südhalbkugel (da die im Sommer wärmere Nordhalbkugel durch mehr Aerosole abgekühlt wird) wie der thermale Gegensatz zwischen Land und Meer reduziert. Die Folge ist eine Schwächung der Monsunzirkulation sowie weniger Niederschläge.[10]

Regional unterschiedliche Wirkung

Abb. 4: Änderung der globalen SO2-Emissionen 1990 bis 2015 in TgS. Der grün gestreifte Bereich zeigt aufgrund der unsicheren Datenlage eine mögliche Überschätzung der chinesischen Emissionen.

Da Aerosole räumlich sehr heterogen verbreitet sind, kann sich ihre regionale Wirkung erheblich von den globalen Durchschnittswerten unterscheiden. Die globalen Mittelwerte sind daher wenig aussagekräftig. Den stärksten Strahlungseffekt gibt es in den und in der Nähe der Emissionsgebiete, die gegenwärtig zugleich – wie z.B. Ostasien – zu den am dichtesten bevölkerten Regionen der Erde gehören.[7] In der jeweiligen Region stoßen verschiedene Aerosole auf unterschiedliche klimatische Bedingungen, durch die ihre Wirkung beeinflusst wird. So unterscheidet sich ihre Wirkung in tropischen Monsungebieten von der in der Westwindzone der mittleren Breiten. Durch die Abkühlung der Temperaturen über dem Land im Sommer schwächen Aerosole z.B. den Land-Meer-Gegensatz und damit die tropische Monsunzirkulation ab, wie etwa den Monsun im östlichen China.[11] Über Südasien hat die Verbrennung von Biomasse und fossiler Energieträger zu einer starken Aerosolverbreitung geführt und die Bedeckung mit Wolken in der unteren Atmosphäre verstärkt, wodurch ebenfalls eine Abkühlung über Land stattgefunden hat.[12] Aerosoleinflüsse werden ebenso bei ENSO, der Verschiebung der Innertropischen Konvergenz und den Zugbahnen der Tiefdruckgebiete in den mittleren Breiten angenommen.[11] Auch wenn Aerosole hauptsächlich in ihren lokal begrenzten Entstehungsgebieten vorkommen und dort ihre Wirkung entfalten, können sie aber auch durch atmosphärische Strömungen in entfernte Gebiete transportiert werden,[13] so im Lee der Entstehungsgebiete oder in Regionen wie der Arktis, in der geringe Antriebe durch die Eis- und Schnee-Albedo-Rückkopplung verstärkt werden. Änderungen der europäischen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2) etwa haben außerhalb des Entstehungsgebietes ihre stärkste Wirkung auf die Temperaturen in der Arktis.[14]

Abb. 5: Änderung der Jahresmitteltemperatur in °C sowie Windströmungen bei 850 hPa in den 2010er Jahren.

Grundsätzlich besitzen Aerosole ihre stärkste Wirkung in ihren Verbreitungsgebieten und kühlen diese stärker ab als im globalen Mittel. Dennoch ist das Verhältnis von klimatischen Auswirkungen in den Regionen der Aerosol-Emissionen und der globalen Wirkung nicht überall gleich. In Indien zeigen sich die abkühlenden Folgen der Aerosole 21mal so stark in der Region selbst als für andere Regionen. In Westeuropa dagegen ist der lokale Abkühlungseffekt weniger als doppelt so stark wie der globale Effekt. Westeuropa, aber etwas weniger auch die USA, exportiert also relativ stark die klimatischen Folgen seiner Emissionen. Die Gründe dafür liegen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen ist die Aerosol-Belastung in einem Gebiet nicht identisch mit der regionalen Emission. So sorgen regional unterschiedliche Niederschläge und atmosphärische Dynamik für eine unterschiedliche Verweildauer von Aerosol-Partikeln. Außerdem ergeben sich aus der Aerosol-Belastung unterschiedliche Strahlungs- und klimatische Feedbackprozesse. Je nach Oberflächenalbedo und Wolkeneigenschaften wirken sich Reflexion und Absorption von Sulfat-Aerosolen und Ruß in verschiedenen Regionen unterschiedlich aus. So wird etwa der abkühlende Strahlungseffekt von Aerosol-Emissionen in Westeuropa durch die Zunahme von Meereis und Schneeflächen verstärkt, während Emissionen in Indien und Brasilien darauf so gut wie keinen Einfluss haben. In den Tropen wirkt sich dagegen die Aerosol-Belastung stärker auf die Wolkenbildung und eine Verschiebung der ITC aus.[6]

Änderung der regionalen Verbreitung

Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000 erklären.[15] So sind die anthropogenen Emissionen von Sulfataerosolen von 106 Tg SO2 im Jahre 2000 auf 112 Tg SO2 im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.[16] Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg in den 2000er Jahren kann demnach eher nicht angenommen werden.[17]

Die Abnahme der Sulfatemissionen in China, das zusammen mit Indien immer noch der größte Emittent von Aerosolen ist, hat nicht nur klimatische Auswirkungen in dem Land selbst, sondern macht sich durch Fernwirkungen auch in Europa und auf der gesamten Nordhalbkugel bemerkbar.[18] So sind die starken Temperaturzunahmen der letzten Zeit auf der Nordhalbkugel z.T. auf die Aerosolabnahme in Ostasien zurückzuführen (Abb. 5).

Einzelnachweise

  1. IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Science of Climate Change, Figure 7.6
  2. Zheng, Y., Davis, S.J., Persad, G.G. et al. (2020): Climate effects of aerosols reduce economic inequality. Nat. Clim. Chang. 10, 220–224
  3. IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021, WG I: The Science of Climate Change, Figure 7.7
  4. Quaas, J., H. Jia, C. Smith, A.L. Albright et al. (2022): Robust evidence for reversal of the trend in aerosol effective climate forcing, Atmos. Chem. Phys., 22, 12221–12239
  5. Nair, H.R.C.R., K. Budhavant, M.R. Manoj et al. (2023): Aerosol demasking enhances climate warming over South Asia. npj Clim Atmos Sci 6, 39
  6. 6,0 6,1 Persad, G.G. and K. Caldeira (2018): Divergent global-scale temperature effects from identical aerosols emitted in different regions, Nat. Commun., 9, 1–9
  7. 7,0 7,1 Samset, B. H., Sand, M., Smith, C. J., Bauer, S. E., Forster, P. M., Fuglestvedt, J. S., Osprey, S., & Schleussner, C.-F. (2018): Climate impacts from a removal of anthropogenic aerosol emissions. Geophysical Research Letters, 45, 1020–1029
  8. Turnock, S.T., E.W. Butt, T.B. Richardson et al. (2016): The impact of European legislative and technology measures to reduce air pollutants on air quality, human health and climate, Environ. Res. Lett. 11 024010
  9. Monerie, P.-A., Wilcox, L. J., & Turner, A. G. (2022): Effects of anthropogenic aerosol and greenhouse gas emissions on Northern hemisphere monsoon precipitation: Mechanisms and uncertainty. Journal of Climate, 35(8), 1–66
  10. Cao, J., Wang, H., Wang, B., Zhao, H., Wang, C., & Zhu, X. (2022): Higher sensitivity of Northern Hemisphere monsoon to anthropogenic aerosol than greenhouse gases. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL100270
  11. 11,0 11,1 Wang, Z., Xue, L., Liu, J. et al. (2022): Roles of Atmospheric Aerosols in Extreme Meteorological Events: a Systematic Review. Curr Pollution Rep 8, 177–188
  12. Ding, K., Huang, X., Ding, A. et al. (2021): Aerosol-boundary-layer-monsoon interactions amplify semi-direct effect of biomass smoke on low cloud formation in Southeast Asia. Nat Commun 12, 6416
  13. Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments, Environmental Research: Climate 2, 3
  14. Westervelt, D.M., N.R. Mascioli, A.M. Fiore et al. (2020): Local and remote mean and extreme temperature response to regional aerosol emissions reductions, Atmos. Chem. Phys., 20, 3009–3027
  15. Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37
  16. Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003
  17. MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?
  18. Xiang, B., Xie, SP., Kang, S.M. et al. (2023): An emerging Asian aerosol dipole pattern reshapes the Asian summer monsoon and exacerbates northern hemisphere warming. npj Clim Atmos Sci 6, 77


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