Klimawirkung von Aerosolen: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Aerosol RF 1750-2015.jpg|thumb|520px|Veränderung des Strahlungsantriebs durch Aerosole 1750-2015]]
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Welche Wirkung hat der Einfluss der [[Aerosole]] insgesamt auf das globale Klima und besonders auf den [[Aktuelle Klimaänderungen|gegenwärtig zu beobachtenden Klimawandel]]?  
Welche Wirkung hat der Einfluss der [[Aerosole]] insgesamt auf das globale Klima und besonders auf den [[Aktuelle Klimaänderungen|gegenwärtig zu beobachtenden Klimawandel]]?  
==Allgemeine Wirkung==
==Strahlungs- und Temperaturwirkung==
[[Bild:Aerosole_temp_zonal.gif|thumb|320px|Temperaturdifferenz zwischen dem vorindustriellen Wert (0 °C) und der Gegenwart durch verschiedene Antriebe über Land]]
[[Bild:Aerosole_temp_zonal.gif|thumb|320px|Temperaturdifferenz zwischen dem vorindustriellen Wert (0 °C) und der Gegenwart durch verschiedene Antriebe über Land]]
Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die langlebigen [[Treibhausgase]] wie [[Kohlendioxid]], [[Methan]] oder [[Lachgas|Distickstoffoxid]] angetrieben. Sie haben bis 2018 gegenüber 1750 zusammengenommen einen [[Strahlungsantrieb]] von 3,32 W/m<sup>2</sup> bewirkt. Davon wurden allein durch Kohlendioxid 2,16 W/m<sup>2</sup> verursacht, durch Methan 0,54 W/m<sup>2</sup> und durch Distickstoffoxid 0,21 W/m<sup>2</sup>. Aerosole sind jedoch die Gegenspieler der Treibhausgase. Sie maskieren einen Teil der [[Klimawandel|globalen Erwärmung]], laut jüngsten Bericht des [[IPCC]] um ca. -1,06 W/m<sup>2</sup> und damit um ca. ein Drittel des Strahlungsantriebs der Treibhausgase seit 1750.<ref>IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Science of Climate Change, Figure 7.6</ref> Die Abschwächung der Erwärmung durch Aerosole ist jedoch in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.


Nach [[Klimamodelle|Modellberechnungen]] erwärmt sich die Luft in Bodennähe um 0,5 bis 0,8 °C pro 1 W/m<sup>2</sup> [[Strahlungsantrieb]] an der Obergrenze der Atmosphäre. Von den 2,4 W/m<sup>2</sup>, die nach IPCC-Schätzungen seit [[Industrielle Revolution|Beginn der Industrialisierung]] in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch die langlebigen [[Treibhausgase]] CO<sub>2</sub>, CH<sub>4</sub>, N<sub>2</sub>O und [[FCKW]] verursacht wurden, werden 0,4 W/m<sup>2</sup> im Ozean gespeichert. Die verbleibenden 2 W/m<sup>2</sup> sollten eine Erwärmung von 1 bis 1,6 °C zur Folge haben. Die beobachtete Erwärmung seit 1860 beträgt jedoch nur 0,8 °C. Für die Differenz ist wahrscheinlich die zunehmende Aerosolbelastung seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich, die an der Obergrenze der Atmosphäre einen [[Strahlungsantrieb]] von ca. -1 W/m<sup>2</sup> verursacht hat.<ref>Ramanathan, V., P.J. Crutzen, J.T. Kiehl, and D. Rosenfeld (2001): Aerosols, Climate, and the Hydrological Cycle, Science 294, 2119-2124</ref> Nach Modellberechnungen des Hamburger Max-Planck-Instituts, die die Differenz zwischen 1860 und 1985 berücksichtigt, haben Aerosole eine mittlere globale Abkühlung von 0,9 °C seit vorindustrieller Zeit hervorgerufen. Die Erwärmung infolge der Treibhausgaszunahme beträgt hiernach 1,7 °C; die Nettoerwärmung liegt bei 0,6 °C. Dieser Wert ist kleiner, als eine Addition beider Einzelwerte ergäbe, was an Auswirkungen auf Wolkenbildung und Strahlung liegt.<ref>Feichter,J., E. Roeckner, U. Lohmann, and B. Liepert (2004): Nonlinear Aspects of the Climate Response to Greenhouse Gas and Aerosol Forcing, Journal of Climate 17, 2384-2398</ref>
Die stärkste Wirkung hatten Aerosole in Temperaturwerten ausgedrückt um 1980 mit -0,85 °C. 2010 waren es nur noch -0,72 °C, wobei allein [[Sulfataerosole]] -0,55 °C dazu beitrugen. Die [[Globale Mitteltemperatur|globale Mitteltemperatur]] von 2010 wäre allerdings ohne Aerosole bereits um 1970 erreicht worden. Aerosole haben damit den Klimawandel um 40 Jahre verzögert, regional allerdings sehr unterschiedlich.<ref name=Zheng 2020">Zheng, Y., Davis, S.J., Persad, G.G. et al.  (2020): [https://doi.org/10.1038/s41558-020-0699-y Climate effects of aerosols reduce economic inequality]. Nat. Clim. Chang. 10, 220–224</ref> Vom jüngsten Bericht des Weltklimarates [[IPCC]] von 2021 wird eine Temperaturveränderung für die [[Strahlungsantrieb von Aerosolen|direkte Wirkung von Aerosolen]] von -0,13 °C und -0,38 °C für die [[Strahlungsantrieb von Aerosolen|indirekte Wirkung von Aerosolen]] angenommen. Dem steht eine Erwärmung durch langlebige Treibhausgase und [[Ozon]] von 1,81 °C gegenüber.<ref>IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021, WG I: The Science of Climate Change, Figure 7.7</ref> Ohne den Aerosol-Effekt wäre die [[2-Grad-Ziel|1,5 °C Grenze der Pariser Klimaziele]] zu einem „gefährlichen“ Klimawandel bereits überschritten.<ref name="Quaas 2022">Quaas, J., H. Jia, C. Smith, A.L. Albright et al. (2022): [https://doi.org/10.5194/acp-22-12221-2022 Robust evidence for reversal of the trend in aerosol effective climate forcing], Atmos. Chem. Phys., 22, 12221–12239</ref>  


Es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahrzehnten nicht nur die Industriestaaten, sondern auch die Schwellenländer versuchen werden, die Aerosolemissionen weiter zu reduzieren. Man muss daher von einem doppelten Erwärmungseffekt ausgehen, zum einen durch den Anstieg der Treibhausgaskonzentration und zum anderen durch die Reduzierung der Aerosolemissionen. Nach Modellrechnungen, die von einer maximal möglichen Aerosolreduzierung bis 2030 ausgehen, würde allein durch die geringere Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre die [[Lufttemperatur#Jahresgang|globale Mitteltemperatur]] um fast 1 °C ansteigen. Hinzu käme noch eine Erwärmung von 1,2 °C durch die höhere Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, so dass es bis 2030 zu einer gesamten Erwärmung um 2,2 °C kommen könnte.<ref>Kloster, S. et al. (2010): A GCM study of future climate response to aerosol pollution reductions, Climate Dynamics 34, 1177-1194</ref>
Während sich die Corona-Pandemie auf die Konzentration von Treibhausgasen aufgrund der langen Verweilzeit von Kohlendioxid, aber auch von Distickstoffoxid in der Atmosphäre kaum ausgewirkt hat, hat der in vielen Staaten verhängte Lockdown zur Eindämmung der Pandemie in den normalerweise stark belasteten Regionen zu einer deutlichen Absenkung der Aerosolkonzentration geführt. Eine Untersuchung zu den Auswirkungen des COVID-19-Lockdowns über Südasien kam zu dem Ergebnis, dass die Aerosolbelastung im Jahr 2020 vor allem durch den Rückgang der Nutzung fossiler Energien im Verkehrssektor um 18% gesunken ist. Die Folge war eine Zunahme der Sonneneinstrahlung über Südasien gemittelt um 1,4 W/m<sup>2</sup>. Aus diesen Beobachtungsergebnissen ergibt sich, dass die globalen Klimaschutzmaßnahmen nicht nur eine längerfristige Abkühlung durch die Abnahme der Treibhausgasemissionen, sondern durch den damit verbundenen Rückgang der Aerosolbelastung auch eine unmittelbare Erwärmung zur Folge haben.<ref>Nair, H.R.C.R., K. Budhavant, M.R. Manoj et al. (2023): [https://doi.org/10.1038/s41612-023-00367-6 Aerosol demasking enhances climate warming over South Asia]. npj Clim Atmos Sci 6, 39</ref>


==Regionale Differenzen==
Die klimatischen Auswirkungen von anthropogenen Aerosolen, d.h. hauptsächlich von Sulfat-Aerosolen, Ruß und organischen Kohlenstoffaerosolen, hängt auch stark von der geographischen Verbreitung der Aerosol-Emissionen ab. So ist der global gemittelte Abkühlungseffekt durch Aerosol-Emission in Europa mit -0,29 °C 14mal größer als durch identische Emissionen in Indien mit 0,02 °C. Im Mittel besitzen die höheren Breiten einen höheren globalen Temperatur-Effekt als niedere Breiten, wobei es auch Unterschiede in denselben Breiten gibt.<ref name="Persad 2018">Persad, G.G. and K. Caldeira (2018): [https://doi.org/10.1038/s41467-018-05838-6 Divergent global-scale temperature effects from identical aerosols emitted in different regions], Nat. Commun., 9, 1–9</ref>
Die Abbildung oben zeigt, dass der Temperatureffekt durch anthropogene Aerosole überall auf dem Globus negative Werte aufweist. In Abhängigkeit von der räumlichen Verteilung der Aerosole ist ihre klimatische Wirkung am stärksten auf der Nordhalbkugel und größer über den Kontinenten als über den Ozeanen. Die deutlichen Effekte über Sibirien und den Polargebieten sind durch den [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Schnee-Albedo-Feedback]] verursacht: Die Abkühlung durch Aerosole vergrößert die Schnee- und Eisbedeckung, wodurch mehr Sonnenstrahlen zurückgestreut werden, was wiederum eine weitere Abkühlung zur Folge hat. In den wenig verschmutzten Gebieten über den südlichen Ozeanen ist die Aerosolwirkung am geringsten. In allen geographischen Breiten über Land übertrifft der Erwärmungseffekt durch anthropogene [[Treibhausgase]] in den letzten 150 Jahren allerdings die Wirkung der Aerosole eindeutig.


==Globale Verdunkelung und globale Aufhellung==
== Wirkung auf die Niederschläge ==
[[Bild:Aerosole_dimming.gif|thumb|320px|Die globale Sonneneinstrahlung am Boden nach der geographischen Breite]]
Aerosole besitzen auch einen Einfluss auf die [[Niederschlag|Niederschläge]]. Zum einen verringert der Abkühlungseffekt durch Aerosole die Verdunstung und damit den für Niederschläge zur Verfügung stehenden Wasserdampf. Zum anderen erhöhen Aerosole zwar die Anzahl der Kondensationskerne in der Atmosphäre und damit auch die Wolkenbildung. Es kommt jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Kondensationskernen eher zur Bildung von kleinen Tröpfchen (also von Wolken) als von größeren Tröpfchen, die zu Niederschlägen führen, wodurch in einer aerosolbelasteten Atmosphäre die Niederschläge abnehmen. Eine weitere Folge ist, dass damit auch die Lebensdauer von Wolken und ihre abkühlende Wirkung verlängert werden. Die für die Zukunft prognostizierte Abnahme anthropogener  Aerosole würde das Gegenteil zur Folge haben. Eine Modelluntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die (theoretische) Entfernung der gegenwärtigen durch menschliche Aktivitäten verursachten Aerosole aus der Atmosphäre, nicht nur eine Erwärmung von 0,5-1,1 °C zur Folge haben würde, sondern auch eine Zunahme der Niederschläge um 2,0-4,6%.<ref name="Samset 2018">Samset, B. H., Sand, M., Smith, C. J., Bauer, S. E., Forster, P. M., Fuglestvedt, J. S., Osprey, S., & Schleussner, C.-F. (2018): [https://doi.org/10.1002/2017GL076079 Climate impacts from a removal of anthropogenic aerosol emissions]. Geophysical Research Letters, 45, 1020–1029</ref> Für Europa wurde für diesen Fall eine Zunahme der Niederschläge um 13 mm/Jahr berechnet.<ref name="Turnock 2016">Turnock, S.T., E.W. Butt, T.B. Richardson et al. (2016): [https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/2/024010 The impact of European legislative and technology measures to reduce air pollutants on air quality], human health and climate, Environ. Res. Lett. 11 024010</ref>
Im Hinblick auf die natürlichen Einflussfaktoren zeigt sich ein erstaunliches Paradox. Einerseits hat die globale Temperatur deutlich zugenommen, andererseits zeigt sich an zahlreichen Messstationen weltweit eine Abnahme der Sonneneinstrahlung am Boden von den 1960er zu den 1980er Jahren um etwa 7 W/m<sup>2</sup>. Die Erklärung wird in der Zunahme der anthropogenen [[Treibhausgase]] und der damit verbundenen Zunahme an Wasserdampf auf der einen und der anthropogenen Aerosole und der damit verbundenen Zunahme der Reflexion der Sonneneinstrahlung sowie der Wolkenbedeckung auf der anderen Seite gesehen.<ref>Liepert, B.G., J. Feichter, U. Lohmann, E. Roeckner (2004): Can aerosols spin down the water cycle in a warmer and moister world?, Geophys. Res. Lett., 31, No. 6</ref> Aerosole schwächen die Sonneneinstrahlung sowohl direkt in wolkenfreier Atmosphäre wie indirekt durch ihre Veränderung der Wolkenbedeckung. Hinzu kommt, dass Aerosole durch den starken Abkühlungseffekt am Boden und die teilweise Erwärmung in der mittleren Troposphäre das vertikale Temperaturprofil verändern. Hieraus können sich erhebliche Folgen für den hydrologischen Zyklus ergeben.


Neuere Untersuchungen haben bei der Strahlungswirkung der Aerosole seit Mitte des 20. Jahrhunderts drei Phasen unterschieden:<ref name="Wild 2012">Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37</ref>   
Änderungen der Niederschläge durch anthropogene Aerosole sind besonders in den Monsunregionen der Nordhalbkugel, wo 60% der Weltbevölkerung leben und stark von den Monsunniederschlägen abhängig sind, von erheblicher Bedeutung.<ref name="Monerie 2022">Monerie, P.-A., Wilcox, L. J., & Turner, A. G. (2022): [https://doi.org/10.1175/JCLI-D-21-0412.1 Effects of anthropogenic aerosol and greenhouse gas emissions on Northern hemisphere monsoon precipitation: Mechanisms and uncertainty]. Journal of Climate, 35(8), 1–66</ref>  Die Niederschläge des nordhemisphärischen [[Globaler Monsun|Monsuns]] haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen. Der Grund ist zumeist eine Zunahme der Emission anthropogener Aerosole. In den tropischen Monsungebieten ist die [[Verdunstung]] stärker begrenzt durch die verfügbare Energie für die Verdunstung als durch die Wasserverfügbarkeit. Eine höhere Aerosolkonzentration verringert jedoch die [[Sonneneinstrahlung und Klimaänderungen|solare Einstrahlung]] und damit die zur Verfügung stehende Energie durch direkte Streuung und indirekt durch vermehrte Wolkenbildung. Dadurch wird sowohl die Temperaturdifferenz zwischen Nord- und Südhalbkugel (da die im Sommer wärmere Nordhalbkugel durch mehr Aerosole abgekühlt wird) wie der thermale Gegensatz zwischen Land und Meer reduziert. Die Folge ist eine Schwächung der Monsunzirkulation sowie weniger Niederschläge.<ref>Cao, J., Wang, H., Wang, B., Zhao, H., Wang, C., & Zhu, X. (2022): [https://doi.org/10.1029/2022GL100270 Higher sensitivity of Northern Hemisphere monsoon to anthropogenic aerosol than greenhouse gases]. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL100270</ref>
# eine deutliche Schwächung der Sonneneinstrahlung in den 1950er-1980er Jahren, die als "globale Verdunkelung" (engl. "global dimming") bezeichnet wird,
# eine Zunahme der Sonneneinstrahlung seit den 1980er Jahren bis 2000, die z.T. "globale Aufhellung" (engl. "global brightening") genannt wird,
# ab 2000 einen Rückgang der "Aufhellung" mit wieder zunehmender Schwächung der Solarstrahlung.  
Entsprechend kann der Verlauf  der globalen Mitteltemperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts zumindest teilweise durch den Einfluss der Aerosole erklärt werden.<ref name="Wild 2012" /> Das trifft besonders für die Nordhalbkugel zu, von der mit großem Abstand die meisten anthropogenen Aerosole stammen.


Von 1950 bis 1980 hatte die starke Aerosolkonzentration auf der Nordhalbkugel eine abkühlende Wirkung, die den Treibhauseffekt durch anhtropogene Treibhausgase etwa ausgeglichen hat. Entsprechend gab es in dieser Zeit keine nennenswerte Erwärmung bzw. eine minimale Abkühlung von -0,002 °C pro Jahrzehnt. Seit den 1980er Jahren hat die Emission von Aerosol-Vorläuferstoffen, insbesondere von Schwefeldioxid, durch die Luftreinhaltungsmaßnahmen in den entwickelten Industrieländern und den teilweisen Zusammenbruch der sozialistischen Altindustrie deutlich abgenommen. Der deutliche Anstieg der Mitteltemperatur der Nordhalbkugel zwischen 1980 und 2000 um 0,3 °C pro Jahrzehnt ist dadurch sicher mit beeinflusst worden. Die Südhalbkugel zeigt dagegen zwischen 1950 und 2000 eine durchgehende Erwärmung von etwas mehr als 0,1 °C pro Jahrzehnt.  
==Regional unterschiedliche Wirkung==
[[Bild:SO2 Emissions 1990-2015.jpg|thumb|420px|Abb. 4: Änderung der globalen SO<sub>2</sub>-Emissionen 1990 bis 2015 in TgS. Der grün gestreifte Bereich zeigt aufgrund der unsicheren Datenlage eine mögliche Überschätzung der chinesischen Emissionen.]]
Da Aerosole räumlich sehr heterogen verbreitet sind, kann sich ihre regionale Wirkung erheblich von den globalen Durchschnittswerten unterscheiden. Die globalen Mittelwerte sind daher wenig aussagekräftig. Den stärksten Strahlungseffekt gibt es in den und in der Nähe der Emissionsgebiete, die gegenwärtig zugleich – wie z.B. Ostasien – zu den am dichtesten bevölkerten Regionen der Erde gehören.<ref name="Samset 2018" />  In der jeweiligen Region stoßen verschiedene Aerosole auf unterschiedliche klimatische Bedingungen, durch die ihre Wirkung beeinflusst wird. So unterscheidet sich ihre Wirkung in tropischen Monsungebieten von der in der Westwindzone der mittleren Breiten. Durch die Abkühlung der Temperaturen über dem Land im Sommer schwächen Aerosole z.B. den Land-Meer-Gegensatz und damit die [[Südasiatischer Monsun|tropische Monsunzirkulation]] ab, wie etwa den Monsun im östlichen China.<ref name="Wang 2022">Wang, Z., Xue, L., Liu, J. et al. (2022): [https://doi.org/10.1007/s40726-022-00216-9 Roles of Atmospheric Aerosols in Extreme Meteorological Events: a Systematic Review]. Curr Pollution Rep 8, 177–188</ref>  Über Südasien hat die Verbrennung von Biomasse und fossiler Energieträger zu einer starken Aerosolverbreitung geführt und die Bedeckung mit Wolken in der unteren Atmosphäre verstärkt, wodurch ebenfalls eine Abkühlung über Land stattgefunden hat.<ref name="Ding 2021">Ding, K., Huang, X., Ding, A. et al. (2021): [https://doi.org/10.1038/s41467-021-26728-4 Aerosol-boundary-layer-monsoon interactions amplify semi-direct effect of biomass smoke on low cloud formation in Southeast Asia]. Nat Commun 12, 6416</ref>  Aerosoleinflüsse werden ebenso bei [[ENSO]], der Verschiebung der [[Innertropische Konvergenzzone|Innertropischen Konvergenz]] und den Zugbahnen der [[Tiefdruckgebiet]]e in den mittleren Breiten angenommen.<ref name="Wang 2022" />  Auch wenn Aerosole hauptsächlich in ihren lokal begrenzten Entstehungsgebieten vorkommen und dort ihre Wirkung entfalten, können sie aber auch durch [[Atmosphärische Zirkulation|atmosphärische Strömungen]] in entfernte Gebiete transportiert werden,<ref name="Persad 2023">Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): [https://dx.doi.org/10.1088/2752-5295/acd6af Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments], Environmental Research: Climate 2, 3</ref>  so im Lee der Entstehungsgebiete oder in Regionen wie der [[Arktis]], in der geringe Antriebe durch die [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Eis- und Schnee-Albedo-Rückkopplung]] verstärkt werden. Änderungen der europäischen Emissionen von [[Sulfataerosole|Schwefeldioxid]] (SO<sub>2</sub>) etwa haben außerhalb des Entstehungsgebietes ihre stärkste Wirkung auf die Temperaturen in der Arktis.<ref name="Westervelt 2020">Westervelt, D.M., N.R. Mascioli, A.M. Fiore et al. (2020): [https://doi.org/10.5194/acp-20-3009-2020 Local and remote mean and extreme temperature response to regional aerosol emissions reductions], Atmos. Chem. Phys., 20, 3009–3027</ref>
[[Bild:Asian-aerosol-dipole-remote-warming.jpg|thumb|420px|Abb. 5: Änderung der Jahresmitteltemperatur in °C sowie Windströmungen bei 850 hPa in den 2010er Jahren.]]


Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000 erklären.<ref name="Wild 2012" /> So sind die anthropogenen Emissionen von Sulfat-Aerosolen von 106 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2000 auf 112 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.<ref name="Klimont 2013">Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003</ref>  Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg kann demnach nicht angenommen werden.<ref name="MetOffice 2013b">MetOffice (2013): [http://www.metoffice.gov.uk/research/news/recent-pause-in-warming The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?]</ref>
Grundsätzlich besitzen Aerosole ihre stärkste Wirkung in ihren Verbreitungsgebieten und kühlen diese stärker ab als im globalen Mittel. Dennoch ist das Verhältnis von klimatischen Auswirkungen in den Regionen der Aerosol-Emissionen und der globalen Wirkung nicht überall gleich. In Indien zeigen sich die abkühlenden Folgen der Aerosole 21mal so stark in der Region selbst als für andere Regionen. In Westeuropa dagegen ist der lokale Abkühlungseffekt weniger als doppelt so stark wie der globale Effekt. Westeuropa, aber etwas weniger auch die USA, exportiert also relativ stark die klimatischen Folgen seiner Emissionen. Die Gründe dafür liegen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen ist die Aerosol-Belastung in einem Gebiet nicht identisch mit der regionalen Emission. So sorgen regional unterschiedliche Niederschläge und atmosphärische Dynamik für eine unterschiedliche Verweildauer von Aerosol-Partikeln. Außerdem ergeben sich aus der Aerosol-Belastung unterschiedliche Strahlungs- und klimatische Feedbackprozesse. Je nach Oberflächenalbedo und Wolkeneigenschaften wirken sich Reflexion und Absorption von Sulfat-Aerosolen und Ruß in verschiedenen Regionen unterschiedlich aus. So wird etwa der abkühlende Strahlungseffekt von Aerosol-Emissionen in Westeuropa durch die Zunahme von Meereis und Schneeflächen verstärkt, während Emissionen in Indien und Brasilien darauf so gut wie keinen Einfluss haben. In den Tropen wirkt sich dagegen die Aerosol-Belastung stärker auf die Wolkenbildung und eine Verschiebung der ITC aus.<ref name="Persad 2018"/>


==Folgen für den hydrologischen Zyklus==
== Änderung der regionalen Verbreitung ==
Allgemein wird angenommen, dass der [[Wasserkreislauf|hydrologische Zyklus]] infolge der globalen Erwärmung durch die Zunahme der [[Treibhausgase]] intensiviert wird.<ref>Trenberth, K.E., A. Dai, R.M. Rasmussen, and D.B. Parsons (2003): The Changing Character of Precipitation, Bulletin of the American Meteorological Society 84, 1205-1217</ref> Fast alle Klimamodelle zeigen, dass eine Erwärmung an der Erdoberfläche um 1 °C durch die Steigerung der [[Verdunstung]] besonders über den Ozeanen eine Erhöhung der Niederschläge um 2-3% zur Folge hat. Die Verdunstung nimmt vor allem zu, weil die Wasserdampfkapazität einer wärmeren Atmosphäre erhöht ist. Beobachtungen über die letzten 50 Jahre bestätigen diesen Befund der Modelle jedoch nur begrenzt und zeigen in einigen Gebieten eine Abnahme der potentiellen Verdunstung. Als wahrscheinliche Erklärung gilt eine Reduzierung der Sonneneinstrahlung durch mehr [[Wolken]] und/oder Aerosole.<ref>Roderick, M. L., and D. Farquhar (2002), The cause of decreased pan evaporation over the past 50 years, Science 298, 1410-1411</ref> Modellrechnungen bestätigen solche Zusammenhänge:<ref>Liepert, B.G., J. Feichter, U. Lohmann, E. Roeckner: Can aerosols spin down the water cycle in a warmer and moister world? Geophys. Res. Lett., 31, No. 6</ref> Die Zunahme von Wolken und Aerosolen in den letzten Jahrzehnten führt im Modell zu einer Reduktion der Sonneneinstrahlung am Boden um 5,2 W/m<sup>2</sup> über Land und 3,8 W/m<sup>2</sup> global.
Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die [[Die sogenannte Erwärmungspause|geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000]] erklären.<ref name="Wild 2012">Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37</ref> So sind die anthropogenen Emissionen von [[Sulfataerosole]]n von 106 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2000 auf 112 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO<sub>2</sub> abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.<ref name="Klimont 2013">Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003</ref> Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg in den 2000er Jahren kann demnach eher nicht angenommen werden.<ref name="MetOffice 2013b">MetOffice (2013): [http://www.metoffice.gov.uk/research/news/recent-pause-in-warming The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?]</ref>


Aerosole wirken dem Einfluss der Treibhausgase auf [[Verdunstung]] und [[Niederschlag]] entgegen. Erstens verzögern sie direkt den Niederschlag durch ihren Einfluss auf die Tröpfchengröße. Zweitens verringert die durch Aerosole verursachte Verminderung der Einstrahlung die Verdunstung und in der Folge auch den Niederschlag. Und drittens sorgt die Erwärmung der unteren Atmosphäre durch absorbierende Aerosole (vor allem durch Ruß) für eine Verringerung der Temperaturabnahme mit der Höhe und damit für eine Schwächung des Auftriebs warmer wasserdampfhaltiger Luft, was wiederum die Niederschlagsneigung schwächt. Die Erwärmung der unteren Atmosphäre durch Ruß-Aerosole sorgt auch direkt für eine abnehmende Bewölkung und eine Reduzierung von Niederschlägen.<ref>Kaufman, Y.J., D. Tanré, and O. Boucher (2002): A satellite view of aerosols in the climate system, Nature 419, 215-223</ref> Quantitativ können diese Effekte durch Beobachtung bisher nicht bestätigt werden. Modellrechnungen zeigen jedoch sehr deutliche Effekte.
Die Abnahme der Sulfatemissionen in China, das zusammen mit Indien immer noch der größte Emittent von Aerosolen ist, hat nicht nur klimatische Auswirkungen in dem Land selbst, sondern macht sich durch Fernwirkungen auch in Europa und auf der gesamten Nordhalbkugel bemerkbar.<ref name="Xiang 2023">Xiang, B., Xie, SP., Kang, S.M. et al. (2023): [https://doi.org/10.1038/s41612-023-00400-8 An emerging Asian aerosol dipole pattern reshapes the Asian summer monsoon and exacerbates northern hemisphere warming]. npj Clim Atmos Sci 6, 77</ref> So sind die starken Temperaturzunahmen der letzten Zeit auf der Nordhalbkugel z.T. auf die Aerosolabnahme in Ostasien zurückzuführen (Abb. 5).
 
Nach neueren Modellrechnungen<ref>hierzu und zu den folgenden Ausführungen vgl. Feichter,J., E. Roeckner, U. Lohmann, and B. Liepert (2004): Nonlinear Aspects of the Climate Response to Greenhouse Gas and Aerosol Forcing, Journal of Climate 17, 2384-2398</ref> dürfte die Veränderung bei Verdunstung und Niederschlag durch Aerosole trotz des geringeren Temperatureinflusses höher als durch Treibhausgase sein. Der [[Wasserkreislauf|hydrologische Zyklus]] reagiert hiernach auf Veränderungen im Aerosolgehalt dreimal stärker als auf Veränderungen in der Konzentration von Treibhausgasen. Während die globale Erwärmung den hydrologischen Zyklus verstärkt, ist der Aerosoleffekt auf die Einstrahlung am Boden stark genug, um diesen Effekt umzudrehen. Die Verringerung der Niederschläge ist besonders groß über aerosolbelasteten Gebieten. Da der Niederschlag die Hauptursache für die Entfernung von Aerosolen aus der Atmosphäre ist, gibt es ein positives Feedback.: Die Verringerung der Niederschläge sorgt für eine Erhöhung der Aerosolkonzentration usw. Außerdem stabilisiert die Abkühlung des Bodens durch Aerosole die [[Aufbau der Atmosphäre|untere Atmosphärenschicht]] und unterdrückt die [[Konvektion]]. Trotz einer allgemeinen Erwärmung (hier übertrifft der [[Treibhauseffekt]] den Aerosoleffekt) nimmt der Niederschlag in manchen Breiten ab, besonders über den Kontinenten in niederen Breiten.
 
==Abhängigkeit vom Klima==
Der anthropogene Aerosoleffekt hängt stark vom Zustand des Klimas ab. Bei gleicher Emission ist die Aerosolkonzentration in einem Treibhausklima niedriger als ohne Treibhauserwärmung. Durch die Treibhausgaserwärmung wird die Aerosolmenge in der Atmosphäre reduziert. Grund ist die kürzere Verweilzeit von Aerosolen, die durch die Verstärkung von Niederschlägen bedingt ist. In einem kühleren Klima ist die Schwächung des hydrologischen Zyklus mit einer längeren atmosphärischen Verweilzeit von Aerosolpartikeln und folglich einer größeren räumlichen Verbreitung verbunden. Ebenso besitzen Wolken eine längere Verweilzeit durch den [[Strahlungsantrieb_von_Aerosolen#Wolkenentwicklung_und_Niederschlag|zweiten indirekten Aerosoleffekt]]. Pro 1 °C Erwärmung nimmt die simulierte Aerosolmenge um 17% ab. Daraus folgt, dass eine weitere Erwärmung durch [[Treibhausgase]] die Konzentration von Aerosolen weiter reduzieren könnte, auch wenn die Emissionen gleich bleiben.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 12. Januar 2024, 17:34 Uhr

Veränderung des Strahlungsantriebs durch Aerosole 1750-2015

Welche Wirkung hat der Einfluss der Aerosole insgesamt auf das globale Klima und besonders auf den gegenwärtig zu beobachtenden Klimawandel?

Strahlungs- und Temperaturwirkung

Temperaturdifferenz zwischen dem vorindustriellen Wert (0 °C) und der Gegenwart durch verschiedene Antriebe über Land

Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die langlebigen Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan oder Distickstoffoxid angetrieben. Sie haben bis 2018 gegenüber 1750 zusammengenommen einen Strahlungsantrieb von 3,32 W/m2 bewirkt. Davon wurden allein durch Kohlendioxid 2,16 W/m2 verursacht, durch Methan 0,54 W/m2 und durch Distickstoffoxid 0,21 W/m2. Aerosole sind jedoch die Gegenspieler der Treibhausgase. Sie maskieren einen Teil der globalen Erwärmung, laut jüngsten Bericht des IPCC um ca. -1,06 W/m2 und damit um ca. ein Drittel des Strahlungsantriebs der Treibhausgase seit 1750.[1] Die Abschwächung der Erwärmung durch Aerosole ist jedoch in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.

Die stärkste Wirkung hatten Aerosole in Temperaturwerten ausgedrückt um 1980 mit -0,85 °C. 2010 waren es nur noch -0,72 °C, wobei allein Sulfataerosole -0,55 °C dazu beitrugen. Die globale Mitteltemperatur von 2010 wäre allerdings ohne Aerosole bereits um 1970 erreicht worden. Aerosole haben damit den Klimawandel um 40 Jahre verzögert, regional allerdings sehr unterschiedlich.[2] Vom jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2021 wird eine Temperaturveränderung für die direkte Wirkung von Aerosolen von -0,13 °C und -0,38 °C für die indirekte Wirkung von Aerosolen angenommen. Dem steht eine Erwärmung durch langlebige Treibhausgase und Ozon von 1,81 °C gegenüber.[3] Ohne den Aerosol-Effekt wäre die 1,5 °C Grenze der Pariser Klimaziele zu einem „gefährlichen“ Klimawandel bereits überschritten.[4]

Während sich die Corona-Pandemie auf die Konzentration von Treibhausgasen aufgrund der langen Verweilzeit von Kohlendioxid, aber auch von Distickstoffoxid in der Atmosphäre kaum ausgewirkt hat, hat der in vielen Staaten verhängte Lockdown zur Eindämmung der Pandemie in den normalerweise stark belasteten Regionen zu einer deutlichen Absenkung der Aerosolkonzentration geführt. Eine Untersuchung zu den Auswirkungen des COVID-19-Lockdowns über Südasien kam zu dem Ergebnis, dass die Aerosolbelastung im Jahr 2020 vor allem durch den Rückgang der Nutzung fossiler Energien im Verkehrssektor um 18% gesunken ist. Die Folge war eine Zunahme der Sonneneinstrahlung über Südasien gemittelt um 1,4 W/m2. Aus diesen Beobachtungsergebnissen ergibt sich, dass die globalen Klimaschutzmaßnahmen nicht nur eine längerfristige Abkühlung durch die Abnahme der Treibhausgasemissionen, sondern durch den damit verbundenen Rückgang der Aerosolbelastung auch eine unmittelbare Erwärmung zur Folge haben.[5]

Die klimatischen Auswirkungen von anthropogenen Aerosolen, d.h. hauptsächlich von Sulfat-Aerosolen, Ruß und organischen Kohlenstoffaerosolen, hängt auch stark von der geographischen Verbreitung der Aerosol-Emissionen ab. So ist der global gemittelte Abkühlungseffekt durch Aerosol-Emission in Europa mit -0,29 °C 14mal größer als durch identische Emissionen in Indien mit 0,02 °C. Im Mittel besitzen die höheren Breiten einen höheren globalen Temperatur-Effekt als niedere Breiten, wobei es auch Unterschiede in denselben Breiten gibt.[6]

Wirkung auf die Niederschläge

Aerosole besitzen auch einen Einfluss auf die Niederschläge. Zum einen verringert der Abkühlungseffekt durch Aerosole die Verdunstung und damit den für Niederschläge zur Verfügung stehenden Wasserdampf. Zum anderen erhöhen Aerosole zwar die Anzahl der Kondensationskerne in der Atmosphäre und damit auch die Wolkenbildung. Es kommt jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Kondensationskernen eher zur Bildung von kleinen Tröpfchen (also von Wolken) als von größeren Tröpfchen, die zu Niederschlägen führen, wodurch in einer aerosolbelasteten Atmosphäre die Niederschläge abnehmen. Eine weitere Folge ist, dass damit auch die Lebensdauer von Wolken und ihre abkühlende Wirkung verlängert werden. Die für die Zukunft prognostizierte Abnahme anthropogener Aerosole würde das Gegenteil zur Folge haben. Eine Modelluntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die (theoretische) Entfernung der gegenwärtigen durch menschliche Aktivitäten verursachten Aerosole aus der Atmosphäre, nicht nur eine Erwärmung von 0,5-1,1 °C zur Folge haben würde, sondern auch eine Zunahme der Niederschläge um 2,0-4,6%.[7] Für Europa wurde für diesen Fall eine Zunahme der Niederschläge um 13 mm/Jahr berechnet.[8]

Änderungen der Niederschläge durch anthropogene Aerosole sind besonders in den Monsunregionen der Nordhalbkugel, wo 60% der Weltbevölkerung leben und stark von den Monsunniederschlägen abhängig sind, von erheblicher Bedeutung.[9] Die Niederschläge des nordhemisphärischen Monsuns haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen. Der Grund ist zumeist eine Zunahme der Emission anthropogener Aerosole. In den tropischen Monsungebieten ist die Verdunstung stärker begrenzt durch die verfügbare Energie für die Verdunstung als durch die Wasserverfügbarkeit. Eine höhere Aerosolkonzentration verringert jedoch die solare Einstrahlung und damit die zur Verfügung stehende Energie durch direkte Streuung und indirekt durch vermehrte Wolkenbildung. Dadurch wird sowohl die Temperaturdifferenz zwischen Nord- und Südhalbkugel (da die im Sommer wärmere Nordhalbkugel durch mehr Aerosole abgekühlt wird) wie der thermale Gegensatz zwischen Land und Meer reduziert. Die Folge ist eine Schwächung der Monsunzirkulation sowie weniger Niederschläge.[10]

Regional unterschiedliche Wirkung

Abb. 4: Änderung der globalen SO2-Emissionen 1990 bis 2015 in TgS. Der grün gestreifte Bereich zeigt aufgrund der unsicheren Datenlage eine mögliche Überschätzung der chinesischen Emissionen.

Da Aerosole räumlich sehr heterogen verbreitet sind, kann sich ihre regionale Wirkung erheblich von den globalen Durchschnittswerten unterscheiden. Die globalen Mittelwerte sind daher wenig aussagekräftig. Den stärksten Strahlungseffekt gibt es in den und in der Nähe der Emissionsgebiete, die gegenwärtig zugleich – wie z.B. Ostasien – zu den am dichtesten bevölkerten Regionen der Erde gehören.[7] In der jeweiligen Region stoßen verschiedene Aerosole auf unterschiedliche klimatische Bedingungen, durch die ihre Wirkung beeinflusst wird. So unterscheidet sich ihre Wirkung in tropischen Monsungebieten von der in der Westwindzone der mittleren Breiten. Durch die Abkühlung der Temperaturen über dem Land im Sommer schwächen Aerosole z.B. den Land-Meer-Gegensatz und damit die tropische Monsunzirkulation ab, wie etwa den Monsun im östlichen China.[11] Über Südasien hat die Verbrennung von Biomasse und fossiler Energieträger zu einer starken Aerosolverbreitung geführt und die Bedeckung mit Wolken in der unteren Atmosphäre verstärkt, wodurch ebenfalls eine Abkühlung über Land stattgefunden hat.[12] Aerosoleinflüsse werden ebenso bei ENSO, der Verschiebung der Innertropischen Konvergenz und den Zugbahnen der Tiefdruckgebiete in den mittleren Breiten angenommen.[11] Auch wenn Aerosole hauptsächlich in ihren lokal begrenzten Entstehungsgebieten vorkommen und dort ihre Wirkung entfalten, können sie aber auch durch atmosphärische Strömungen in entfernte Gebiete transportiert werden,[13] so im Lee der Entstehungsgebiete oder in Regionen wie der Arktis, in der geringe Antriebe durch die Eis- und Schnee-Albedo-Rückkopplung verstärkt werden. Änderungen der europäischen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2) etwa haben außerhalb des Entstehungsgebietes ihre stärkste Wirkung auf die Temperaturen in der Arktis.[14]

Abb. 5: Änderung der Jahresmitteltemperatur in °C sowie Windströmungen bei 850 hPa in den 2010er Jahren.

Grundsätzlich besitzen Aerosole ihre stärkste Wirkung in ihren Verbreitungsgebieten und kühlen diese stärker ab als im globalen Mittel. Dennoch ist das Verhältnis von klimatischen Auswirkungen in den Regionen der Aerosol-Emissionen und der globalen Wirkung nicht überall gleich. In Indien zeigen sich die abkühlenden Folgen der Aerosole 21mal so stark in der Region selbst als für andere Regionen. In Westeuropa dagegen ist der lokale Abkühlungseffekt weniger als doppelt so stark wie der globale Effekt. Westeuropa, aber etwas weniger auch die USA, exportiert also relativ stark die klimatischen Folgen seiner Emissionen. Die Gründe dafür liegen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen ist die Aerosol-Belastung in einem Gebiet nicht identisch mit der regionalen Emission. So sorgen regional unterschiedliche Niederschläge und atmosphärische Dynamik für eine unterschiedliche Verweildauer von Aerosol-Partikeln. Außerdem ergeben sich aus der Aerosol-Belastung unterschiedliche Strahlungs- und klimatische Feedbackprozesse. Je nach Oberflächenalbedo und Wolkeneigenschaften wirken sich Reflexion und Absorption von Sulfat-Aerosolen und Ruß in verschiedenen Regionen unterschiedlich aus. So wird etwa der abkühlende Strahlungseffekt von Aerosol-Emissionen in Westeuropa durch die Zunahme von Meereis und Schneeflächen verstärkt, während Emissionen in Indien und Brasilien darauf so gut wie keinen Einfluss haben. In den Tropen wirkt sich dagegen die Aerosol-Belastung stärker auf die Wolkenbildung und eine Verschiebung der ITC aus.[6]

Änderung der regionalen Verbreitung

Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000 erklären.[15] So sind die anthropogenen Emissionen von Sulfataerosolen von 106 Tg SO2 im Jahre 2000 auf 112 Tg SO2 im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.[16] Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg in den 2000er Jahren kann demnach eher nicht angenommen werden.[17]

Die Abnahme der Sulfatemissionen in China, das zusammen mit Indien immer noch der größte Emittent von Aerosolen ist, hat nicht nur klimatische Auswirkungen in dem Land selbst, sondern macht sich durch Fernwirkungen auch in Europa und auf der gesamten Nordhalbkugel bemerkbar.[18] So sind die starken Temperaturzunahmen der letzten Zeit auf der Nordhalbkugel z.T. auf die Aerosolabnahme in Ostasien zurückzuführen (Abb. 5).

Einzelnachweise

  1. IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Science of Climate Change, Figure 7.6
  2. Zheng, Y., Davis, S.J., Persad, G.G. et al. (2020): Climate effects of aerosols reduce economic inequality. Nat. Clim. Chang. 10, 220–224
  3. IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021, WG I: The Science of Climate Change, Figure 7.7
  4. Quaas, J., H. Jia, C. Smith, A.L. Albright et al. (2022): Robust evidence for reversal of the trend in aerosol effective climate forcing, Atmos. Chem. Phys., 22, 12221–12239
  5. Nair, H.R.C.R., K. Budhavant, M.R. Manoj et al. (2023): Aerosol demasking enhances climate warming over South Asia. npj Clim Atmos Sci 6, 39
  6. 6,0 6,1 Persad, G.G. and K. Caldeira (2018): Divergent global-scale temperature effects from identical aerosols emitted in different regions, Nat. Commun., 9, 1–9
  7. 7,0 7,1 Samset, B. H., Sand, M., Smith, C. J., Bauer, S. E., Forster, P. M., Fuglestvedt, J. S., Osprey, S., & Schleussner, C.-F. (2018): Climate impacts from a removal of anthropogenic aerosol emissions. Geophysical Research Letters, 45, 1020–1029
  8. Turnock, S.T., E.W. Butt, T.B. Richardson et al. (2016): The impact of European legislative and technology measures to reduce air pollutants on air quality, human health and climate, Environ. Res. Lett. 11 024010
  9. Monerie, P.-A., Wilcox, L. J., & Turner, A. G. (2022): Effects of anthropogenic aerosol and greenhouse gas emissions on Northern hemisphere monsoon precipitation: Mechanisms and uncertainty. Journal of Climate, 35(8), 1–66
  10. Cao, J., Wang, H., Wang, B., Zhao, H., Wang, C., & Zhu, X. (2022): Higher sensitivity of Northern Hemisphere monsoon to anthropogenic aerosol than greenhouse gases. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL100270
  11. 11,0 11,1 Wang, Z., Xue, L., Liu, J. et al. (2022): Roles of Atmospheric Aerosols in Extreme Meteorological Events: a Systematic Review. Curr Pollution Rep 8, 177–188
  12. Ding, K., Huang, X., Ding, A. et al. (2021): Aerosol-boundary-layer-monsoon interactions amplify semi-direct effect of biomass smoke on low cloud formation in Southeast Asia. Nat Commun 12, 6416
  13. Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments, Environmental Research: Climate 2, 3
  14. Westervelt, D.M., N.R. Mascioli, A.M. Fiore et al. (2020): Local and remote mean and extreme temperature response to regional aerosol emissions reductions, Atmos. Chem. Phys., 20, 3009–3027
  15. Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37
  16. Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003
  17. MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?
  18. Xiang, B., Xie, SP., Kang, S.M. et al. (2023): An emerging Asian aerosol dipole pattern reshapes the Asian summer monsoon and exacerbates northern hemisphere warming. npj Clim Atmos Sci 6, 77


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