Klimavorhersagen

Aus Klimawandel

Klimavorhersagen beziehen sich auf die zukünftige Klimaentwicklung der nächsten Jahre bis zu einem Jahrzehnt. Sie stehen damit zwischen Wettervorsagen (die nächsten Tage) und Klimaprojektionen (Jahrzehnte bis Jahrhunderte).

Klimaprojektionen und Klimavorhersagen

Welche klimatischen Verhältnisse auf der Erde am Ende dieses Jahrhunderts herrschen werden, vermag niemand vorherzusagen. Die Klimaforschung entwirft Szenarien von möglichen Klimazuständen in ca. 100 Jahren und mehr, die weit voneinander abweichen. So könnte hiernach gegen Ende des 21. Jahrhunderts die globale Mitteltemperatur zwischen 1,4 und 6,4 °C über der vorindustriellen liegen. Solche Entwürfe werden als „Klimaprojektionen“ bezeichnet. Sie beruhen auf Computermodellrechnungen, die wiederum auf verschiedenen Szenarien künftiger Treibhausgasemissionen durch menschliche Aktivitäten oder deren Wirkungen auf den Strahlungshaushalt der Atmosphäre basieren.

Abb. 1: Schematische Darstellung von Klimavorhersagen

Für den Bedarf zahlreicher gesellschaftlicher Sektoren sind Klimaprojektionen jedoch unbefriedigend. Sie beziehen sich meistens auf eine zu ferne Zukunft und geben keine Auskunft über die tatsächlichen Klimaverhältnisse, da sie nicht nur die wirkliche Emissionsentwicklung der Treibhausgase nicht kennen, sondern auch die natürlichen Klimaschwankungen nicht berücksichtigen. Im Küstenschutz, im Wassermanagement, im Gesundheitssektor oder in der Landwirtschaft ist man dagegen daran interessiert zu wissen, wie das Klima sich über die nächsten Jahre oder allenfalls zwei bis drei Jahrzehnte tatsächlich entwickeln wird. Dafür braucht man Klimavorhersagen, die sowohl den Einfluss der anthropogenen Treibhausgase und Aerosole auf das Klima berechnen wie die natürlichen Klimaschwankungen berücksichtigen. Letztere bestehen einerseits aus externen Einflüssen auf das Klima durch die Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüche und andererseits aus internen Schwankungen des Klimasystems.

Klimavorhersagen sind allerdings auch keine Wettervorhersagen für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte. Wie Klimaprojektionen beziehen sie sich auf das durchschnittliche Wetter in einem mehr oder weniger langen Zeitraum. Sie fragen z.B. nicht danach, ob es am 1. Juli 2025 in Hamburg regnen wird und wie warm es an diesem Tag sein wird, sondern danach, ob das nächste Jahrzehnt in Deutschland im Mittel regenreicher oder wärmer sein wird als das vergangene Jahrzehnt. Klimavorhersagen stellen somit eine Brücke zwischen Wettervorhersagen und Klimaprojektionen dar. Der Bedarf an solchen Vorhersagen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nimmt angesichts der Folgen des Klimawandels, die eine wachsende Klimaanpassung erforderlich machen, ständig zu.

Über die Möglichkeit von Klimavorhersagen

Die Möglichkeit solcher Vorhersagen ist vor allem durch zwei Faktoren gegeben. Zum einen gehen bisherige Berechnungen davon aus, dass es in den nächsten 10-20 Jahren nur geringe Unterschiede bei den Klimaszenarien geben wird, so dass die unwägbaren sozio-ökonomischen Entwicklungen, die den Treibhausgasemissionen zugrunde liegen, wenig ins Gewicht fallen. Zum anderen ändern sich einige wichtige natürliche Prozesse des Klimasystems nur sehr langsam und können daher, wenn man ihre Gesetzmäßigkeiten kennt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Dazu gehören vor allem Meeresströmungen und Temperaturverhältnisse des Ozeans. Während etwa die Atmosphäre auf äußere Einflüsse relativ unmittelbar und auf mittelfristigen Zeitskalen mit nicht vorhersagbaren chaotischen Wetterabläufen reagiert, ist die Reaktionszeit des Ozeans wesentlich länger und sein Verhalten vorhersagbarer. Man schreibt daher dem Ozean ein „langes Gedächtnis“ zu. Damit sind aber bis zu einem gewissen Grad auch klimatische Verhältnisse auf dem Land prognostizierbar, die unter dem Einfluss des Ozeans stehen. Auf längeren Zeitskalen lassen sich so aus dem chaotischen Wetter bestimmte strukturierte Entwicklungen herausfiltern, deren Simulation das Ziel von Klima-Vorhersagemodellen ist.[1]

Hinzu kommt, dass die externen natürlichen Einflüsse (Solarstrahlung und Vulkanausbrüche) in den nächsten Jahren zwar nicht genau vorhersagbar, aber als relativ gering anzusehen sind. Von der Sonneneinstrahlung kennt man den 11jährigen Schwabe-Zyklus, nicht aber den längerfristigen Trend über mehrere Zyklen hinweg. Historische Vergleiche lassen jedoch einen nur geringen Einfluss annehmen. Auch die längerfristigen Trends der Solarstrahlung sind in der Größenordnung von Jahrhunderten relativ klein in ihrer Wirkung. So wird vom IPCC die Zunahme der Solarstrahlung seit 1750 auf 0,05 W/m2 geschätzt. Der anthropogene Strahlungsantrieb durch langlebige Treibhausgase beträgt dagegen für denselben Zeitraum 2,83 W/m2.[2] Entsprechend dem Trend der letzten Jahrzehnte wird für das nächste Jahrzehnt eher eine Abnahme der Solarstrahlung angenommen. Falls die Sonnenaktivität bis zum Ende des Jahrhunderts auf das Niveau der Kleinen Eiszeit zurückgehen sollte, wird jedoch nicht mehr als ein Einfluss von -0,1 °C erwartet.[3] Noch weniger ist mit einem längerfristigen Einfluss von Vulkanausbrüchen auf die Klimaentwicklung des 21. Jahrhunderts zu rechnen. Explosive Vulkanausbrüche wie etwa der des Mt. Pinatubo von 1991 können zwar durch die Emission von Aerosolen zu einem Temperaturabfall von -0,3 °C im darauf folgenden Jahr führen. Die Wirkung hält jedoch nur wenige Jahre an.

Die Vorhersagbarkeit ist allerdings regional unterschiedlich. Die höchsten Vorhersageerfolge lassen sich besonders für den Nordatlantik erzielen. Der Grund hängt mit den Schwankungen der Atlantischen Multidekaden Oszillation (AMO) auf relativ langen Zeitskalen und den davon abhängigen Meeresoberflächentemperaturen zusammen, die Vorhersagen von bis zu einem Jahrzehnt erlauben. Damit ist die Schwankung jener Meeresströmung gemeint, die in der Karibik als Golfstrom beginnt und als Nordatlantikstrom bis in den Nordost-Atlantik reicht, sowie deren Rückstrom in der Tiefe des Nordatlantik. Da die Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik einen großen Einfluss auf das europäische Klima hat, eignet dieses sich ebenfalls für dekadische Vorhersagen.[4] Ein weiterer Grund ist, dass es für Europa und den Nordatlantik verhältnismäßig gute Beobachtungsdaten gibt, an denen die Qualität der Modelle überprüft werden kann.[5]

Klimanachhersagen und Klimavorhersagen

Abb. 1: SBeobachtete Temperaturentwicklung 1880-2019 im Vergleich mit Simulationen der Modellprojekte CMIP5 (für den 5. Bericht des Weltklimarates IPCC) und CMIP6 (für den 6. Bericht des Weltklimarates IPCC)

Beobachtungsdaten sind insofern von großer Bedeutung, als alle Vorhersage-Simulationen grundsätzlich mit ‚Nachhersagen‘ beginnen. D.h. sie führen eine Reihe von nachträglichen Prognosen zur Klimaentwicklung (engl. Hindcasts) der letzten Jahrzehnte durch, bevor sie Vorhersagen zur Zukunft berechnen. Für diese Hindcasts ist es entscheidend, die Startbedingungen der Modellsimulationen zu kennen, die sich wiederum nur aus Beobachtungs- und Reanalysedaten ableiten lassen. Die retrospektiven Klimavorhersagen werden zu Beginn jeden Jahres mit den jeweils neuen Startbedingungen initialisiert. Auf diese Weise können bis zu einem gewissen Grad die dekadischen natürlichen Klimaschwankungen der jüngsten Vergangenheit erfasst werden, aus denen sich dann auch die natürliche Klimavariabilität für die kommenden Jahre prognostizieren lässt. Um die weiterhin bestehenden Unsicherheiten zu minimieren, werden mehrere Modellrechnungen mit leicht unterschiedlichen Ausgangsbedingungen durchgeführt, sog. Ensemble-Simulationen, von denen dann ein Mittelwert gebildet wird.

Durch die Simulationen früherer Klimaänderungen wird auch immer die Fähigkeit von Klimamodellen auf den Prüfstand gestellt. Modelle lassen sich dadurch testen, dass man sie die Klimaänderungen der letzten, gut dokumentierten Jahrzehnte, z.B. von 1850 bis zur Gegenwart, nachrechnen lässt. Ausgehend vom vorindustriellen Klimazustand wird dabei berechnet, wie sich z.B. die globale Mitteltemperatur durch Hinzufügen verschiedener natürlicher (Solarstrahlung, vulkanische Aerosole, natürliche Klimaschwankungen) und anthropogener (vom Menschen emittierte Treibhausgase und Aerosole) Antriebskräfte verändert. Dabei zeigt sich, dass die Modelle der beiden jüngsten Modellgenerationen, CMIP5 und CMIP6, die beobachtete Änderung der globalen Mitteltemperatur weitgehend zutreffend simuliert haben, wodurch auch das Vertrauen in Modellsimulationen für die Zukunft mit ähnlichen Modellen gefestigt wird.

Beispiel

Ein Beispiel für mittelfristige Klimavorhersagen ist das deutsche Forschungsprogramm MiKlip, das sich auf den Nordatlantik und Europa konzentriert. Das Projekt basiert für die Randbedingungen auf dem hochaufgelösten Erdsystemmodell MPI-ESM-HR6[6] des Max-Planck-Instituts für Meteorologie mit einer Auflösung von 100x100 km. Darin eingebettet ist das Regionalmodell COSMO-CLM, mit dem z.B. für Europa höher aufgelöste Ergebnisse erzielt werden können. Die jedes Jahr neu angesetzte Serie von Simulationen startet 1960 und erstreckt sich bis in die Gegenwart. Danach beginnen die Zukunftsprognosen, die mit den aktuellen Beobachtungsdaten initialisiert werden. Im Rahmen von MiKlip werden auch Vorhersagen über die Veränderung der globalen Mitteltemperatur simuliert. So wurde für die Jahre 2025-2018 eine Erhöhung des 4-Jahresmittels um 0,61 °C über der Referenzperiode 1981-2010 berechnet. Die Jahre 2020 bis 2026 zeigen dabei kaum eine Veränderung.[7]

Einzelnachweise

  1. Deutscher Wetterdienst (2017): Klimavorhersagen und Klimaprojektionen. Wie entstehen Aussagen über das zukünftige Klima? Offenbach 2017
  2. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 8.6
  3. Jones, G. S., M. Lockwood, and P. A. Stott (2012): What influence will future solar activity changes over the 21st century have on projected global near-surface temperature changes?, Journal of Geophysical Research, 117, D05103, doi:10.1029/2011JD017013
  4. Feldmann, H., J. Pinto, N. Laube et al. (2019): Skill and added value of the MiKlip regional decadal prediction system for temperature over Europe. Tellus Series A-Dynamic Meteorology and Oceanography, 71, 1-19. doi:10.1080/16000870.2019.1618678
  5. MiKlip (o.J.): Überblick über dekadische Vorhersagen
  6. MPI steht für Max-Planck-Institut, ESM für Erdsystemmodell und HR für High Resolution (hohe Auflösung).
  7. MiKlip (2019): Temperaturanomalien des globalen Mittelwerts: Beobachtete Entwicklung und Ensemblemittelvorhersage ab 2019


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