Klimasensitivität: Unterschied zwischen den Versionen

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Auch aus Beobachtungen ist die Klimasensitivität schwer abschätzbar, da die Klimaantriebe (also die Ursachen von Klimaänderungen) und die Klimaänderungen selbst zu ungenau bekannt sind, und da das Klima sich in Wahrheit nicht im Gleichgewicht befindet, sondern immer dem Antrieb hinterher hinkt.
Auch aus Beobachtungen ist die Klimasensitivität schwer abschätzbar, da die Klimaantriebe (also die Ursachen von Klimaänderungen) und die Klimaänderungen selbst zu ungenau bekannt sind, und da das Klima sich in Wahrheit nicht im Gleichgewicht befindet, sondern immer dem Antrieb hinterher hinkt.


Der Wert der Klimasensitivität liegt nach Einschätzung des vierten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change ([[IPCC]]) zwischen 2 und 4,5 °C. Das Intergovernmental Panel on Climate Change ([[IPCC]]) bezeichnet diese Spanne in seinem 2007 erschienenen Vierten Sachstandsbericht als „wahrscheinlich“, der beste mittlere Schätzwert liege bei 3 °C; eine Sensititvät von unter 1,5 °C sei „sehr unwahrscheinlich“.<ref name="IPCC 2007">Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): [http://www.ipcc.ch/ipccreports/ar4-wg1.htm ''IPCC Fourth Assessment Report - Working Group I Report "The Physical Science Basis"'']</ref>   
Der Wert der Klimasensitivität liegt nach Einschätzung des vierten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change ([[IPCC]]) von 2007 zwischen 2 und 4,5 °C. Das IPCC bezeichnet diese Spanne als „wahrscheinlich“, der beste mittlere Schätzwert liege bei 3 °C; eine Sensititvät von unter 1,5 °C sei „sehr unwahrscheinlich“.<ref name="IPCC 2007">Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): [http://www.ipcc.ch/ipccreports/ar4-wg1.htm ''IPCC Fourth Assessment Report - Working Group I Report "The Physical Science Basis"'']</ref>   


[[Datei:Linreg.png|thumb|420px|'''Abbildung 1:'''Skizzenhafte Bestimmung der Klimasensitivität durch eine lineare Regression. Die X-Markierungen sind Mittlere Werte aus dem Modell zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Nach etwas mehr als 100 Jahren kann die Simulation beendet und die Klimasensitivität durch eine Regression geschätzt werden.]]
In einzelnen Studien wurde als Wert für die Klimasensitivität ein Bereich zwischen  1,5 und 4,5 °C ermittelt, um die sich die Erde mit 95%iger Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Verdoppelung erwärmen wird.<ref name="Annan 2006">Annan, J.D. und J.C. Hargreaves (2006): ''Using multiple observationally-based constraints to estimate climate sensitivity'', Entwurf vom 30. Januar [http://www.jamstec.go.jp/frcgc/research/d5/jdannan/GRL_sensitivity.pdf (PDF)]</ref> Eine 2007 in der Zeitschrift Nature erschienene geologische Studie untersucht die Klimasensitivität über die letzten 420 Millionen Jahre und ergibt 1,5&nbsp;°C als unteren und 6,2&nbsp;°C als oberen Grenzwert sowie 2,8&nbsp;°C als beste Schätzung.<ref>Royer, Dana L., Robert A. Berner und Jeffrey Park (2007): ''Climate sensitivity constrained by CO2 concentrations over the past 420 million years'', in: Nature, Vol. 446, 29. März, [http://droyer.web.wesleyan.edu/climate_sensitivity.pdf (PDF)]</ref> Der fünfte Sachstandsbericht des IPCC von  2013 korigierte seine Schätzung von 2007 auf 1,5 - 4,5 °C, bei einem Mittelwert von 3,2 °C. Der Grund für die Korrektur des unteren Wertes von 2 °C auf 1,5 °C  liegt in Unsicherheiten über die Wärmeaufnahme des Ozeans.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 12.2</ref>


Moderne Klimamodelle sind heute so umfangreich, dass ihre Berechnungen eine große Menge Rechenkapazität benötigen. Möchte man mit dem Modell die Klimasensitivität berechnen, müsste man jahrhunderte berechnen - bis zu dem Punkt, an dem das Klimasystem wieder im Gleichgewicht ist. Da das sehr lange dauert und die Klimavariabilität die Bestimmung des Zeitpunktes erschwert, helfen sich Wissenschaftler mit einer linearen Regression ('''Abbildung 1'''). Dabei wird nach einigen hundert Jahren die Modellsimulation zu einem Zeitpunkt beendet, an dem das Klimasystem noch nicht wieder im Gleichgewicht ist. Dann werden Jahresmitteländerungen der bodennahen Temperatur gegen den im jeweiligen Jahr mittleren Strahlungsantrieb aufgetragen und die lineare, bestpassende Kurve über diese Werte gelegt. Der Schnittpunkt mit der X-Achse entspricht dann der Klimasensitivität, also der Temperaturänderung, bei der es keinen Strahlungsantrieb mehr gibt und das Klimasystem somit im Gleichgewicht ist.
Die Auswertung von ersten Modellrechnungen zum 6. Report des IPCC, der ab 2021 erscheinen soll, zeigt, dass die Klimasensitivität der neuen Modelle deutlich höher als die der vorherigen Modellgeneration ist. Die bisher gerechneten 31 Modell-Simulationen zeigen eine Klimasensitivität von 1,8-5,6 °C, zehn von ihnen sogar mehr als den höchsten Wert der Modelle für den 5. IPCC-Bericht von 4,5 °C.<ref name="Hausfather 2019">Hausfather, Carbon Brief (2019): [https://www.carbonbrief.org/cmip6-the-next-generation-of-climate-models-explained CMIP6: the next generation of climate models explained]</ref>  Noch liegen allerdings weniger als ein Drittel der erwarteten Modellergebnisse zu dem Thema vor. Daher lassen sich auch die Gründe für die höhere Klimasensitivität nicht endgültig bestimmen. Eine wichtige Rolle dürfte die Darstellung von tieferen außertropischen Wolken besonders über dem Südlichen Ozean spielen. Eine mögliche positive Rückkopplung könnte darin bestehen, dass sich durch die globale Erwärmung die tiefere Wolkenbedeckung stärker auflöst und damit mehr Sonneneinstrahlung absorbiert wird.<ref name="Zelinka 2020">Zelinka, M.D., T.A. Myers, D.T. McCoy, et al. (2020): Causes of higher climate sensitivity in CMIP6 models, Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2019GL085782</ref>


In einzelnen Studien wurde als Wert für die Klimasensitivität ein Bereich zwischen  1,5 und 4,5&nbsp;°C ermittelt, um die sich die Erde mit 95%iger Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Verdoppelung erwärmen wird.<ref name="Annan 2006">Annan, J.D. und J.C. Hargreaves (2006): ''Using multiple observationally-based constraints to estimate climate sensitivity'', Entwurf vom 30. Januar [http://www.jamstec.go.jp/frcgc/research/d5/jdannan/GRL_sensitivity.pdf (PDF)]</ref> Eine 2007 in der Zeitschrift Nature erschienene geologische Studie untersucht die Klimasensitivität über die letzten 420 Millionen Jahre und ergibt 1,5&nbsp;°C als unteren und 6,2&nbsp;°C als oberen Grenzwert sowie 2,8&nbsp;°C als beste Schätzung.<ref>Royer, Dana L., Robert A. Berner und Jeffrey Park (2007): ''Climate sensitivity constrained by CO2 concentrations over the past 420 million years'', in: Nature, Vol. 446, 29. März, [http://droyer.web.wesleyan.edu/climate_sensitivity.pdf (PDF)]</ref> Der fünfte Sachstandsbericht des IPCC von  2013 korigierte seine Schätzung von 2007 auf 1,5 - 4,5 °C. Der Grund für die Korrektur des unteren Wertes von 2 °C auf 1,5 °C  liegt in Unsicherheiten über die Wärmeaufnahme des Ozeans. Die Berechnungen mit der jüngsten Generation von Klimamodellen ergab einen Mittelwert von 3,2 °C. <ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 12.2</ref>
Die begrenzte Kenntnis der Klimasensitivität macht es schwierig, Ergebnisse von Klimamodellen zu vergleichen, da jedes Modell eine andere Klimasensitivität aufweist. Daher ist es von Vorteil, nicht die Temperaturänderungen, sondern als Vorstufe davon die Änderung der Strahlungsbilanz direkt zu vergleichen. Das hierzu entwickelte Konzept ist das des [[Strahlungsantrieb|Strahlungsantriebs]]. Der Umrechnungsfaktor zwischen dem Strahlungsantrieb und der Temperaturänderung auf der Erde nennt sich Klimasensitivitäts-Parameter und wird in K/W/m<sup>2</sup> (also Kelvin pro Watt/m<sup>2</sup>) angegeben.
 
Die mangelnde Kenntnis der Klimasensitivität macht es schwierig, Ergebnisse von Klimamodellen zu vergleichen, da jedes Modell eine andere Klimasensitivität aufweist. Daher ist es von Vorteil, nicht die Temperaturänderungen, sondern als Vorstufe davon die Änderung der Strahlungsbilanz direkt zu vergleichen. Das hierzu entwickelte Konzept ist das des [[Strahlungsantrieb|Strahlungsantriebs]]. Der Umrechnungsfaktor zwischen dem Strahlungsantrieb und der Temperaturänderung auf der Erde nennt sich Klimasensitivitäts-Parameter und wird in K/W/m<sup>2</sup> (also Kelvin pro Watt/m<sup>2</sup>) angegeben.


==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==

Version vom 9. März 2020, 16:53 Uhr

Was ist die Klimasensitivität?

Die Klimasensitivität ist ein Maß dafür, wie sensibel die global gemittelte bodennahe Lufttemperatur auf der Erde auf Änderungen der Kohlendioxid-Konzentration reagiert. Sie wird daher in °C angegeben und steht für die Temperaturänderung, die die Erde bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts erfahren würde. Dabei wird angenommen, dass sich das Klima vor und nach der Änderung im Gleichgewicht befindet; man betrachtet also einen Anfangs- und Endzustand ohne die allmähliche Erwärmung dazwischen. Betrachtet man dagegen die Änderung des Klimas bis zu einem bestimmten (z.B. dem aktuellen) Zeitpunkt, spricht man auch von der „effektiven Klimasensitivität“.

Wie groß ist die Klimasensitivität?

Das Gedankenexperiment der plötzlichen CO2-Verdopplung hat natürlich keine Entsprechung in der Realität, sondern liefert eine einfache Kennzahl zur Beschreibung der Empfindlichkeit der Erde gegenüber Kohlendioxid und anderen das Klima beeinflussenden Faktoren (die meist - mit Einschränkungen - in CO2-Äquivalente umgerechnet werden können).

Diese Zahl zu kennen ist also der Schlüssel zu einer verlässlichen Vorhersage des Klimas. Sie ist allerdings kein vorgegebener Wert in globalen Klimamodellen, sondern Resultat vieler verschiedener Rückkopplungseffekte, wie z.B. der Wasserdampf-Rückkopplung (je wärmer es wird, desto mehr erwärmender Wasserdampf befindet sich auch in der Luft; vgl. Wasserkreislauf und Klima) und der Eis-Albedo-Rückkopplung. Insbesondere die Veränderung der Bewölkung und deren Rückwirkung auf die globale Erwärmung ist schwer abschätzbar und vergrößert die Unsicherheitsspanne. Da frühere Modelle nur die Atmosphäre beinhalteten, beinhaltet die Klimasensitivität im engeren Sinne übrigens nur Rückkopplungen in der Atmosphäre. Die Unsicherheiten des sich ändernden Kohlenstoffkreislaufs (z.B. die zusätzlichen Emissionen aus Pflanzen und Böden) werden nicht dazu gerechnet, obwohl sie natürlich ebenfalls zu Klimaänderungen beitragen werden.

Auch aus Beobachtungen ist die Klimasensitivität schwer abschätzbar, da die Klimaantriebe (also die Ursachen von Klimaänderungen) und die Klimaänderungen selbst zu ungenau bekannt sind, und da das Klima sich in Wahrheit nicht im Gleichgewicht befindet, sondern immer dem Antrieb hinterher hinkt.

Der Wert der Klimasensitivität liegt nach Einschätzung des vierten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von 2007 zwischen 2 und 4,5 °C. Das IPCC bezeichnet diese Spanne als „wahrscheinlich“, der beste mittlere Schätzwert liege bei 3 °C; eine Sensititvät von unter 1,5 °C sei „sehr unwahrscheinlich“.[1]

In einzelnen Studien wurde als Wert für die Klimasensitivität ein Bereich zwischen 1,5 und 4,5 °C ermittelt, um die sich die Erde mit 95%iger Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Verdoppelung erwärmen wird.[2] Eine 2007 in der Zeitschrift Nature erschienene geologische Studie untersucht die Klimasensitivität über die letzten 420 Millionen Jahre und ergibt 1,5 °C als unteren und 6,2 °C als oberen Grenzwert sowie 2,8 °C als beste Schätzung.[3] Der fünfte Sachstandsbericht des IPCC von 2013 korigierte seine Schätzung von 2007 auf 1,5 - 4,5 °C, bei einem Mittelwert von 3,2 °C. Der Grund für die Korrektur des unteren Wertes von 2 °C auf 1,5 °C liegt in Unsicherheiten über die Wärmeaufnahme des Ozeans.[4]

Die Auswertung von ersten Modellrechnungen zum 6. Report des IPCC, der ab 2021 erscheinen soll, zeigt, dass die Klimasensitivität der neuen Modelle deutlich höher als die der vorherigen Modellgeneration ist. Die bisher gerechneten 31 Modell-Simulationen zeigen eine Klimasensitivität von 1,8-5,6 °C, zehn von ihnen sogar mehr als den höchsten Wert der Modelle für den 5. IPCC-Bericht von 4,5 °C.[5] Noch liegen allerdings weniger als ein Drittel der erwarteten Modellergebnisse zu dem Thema vor. Daher lassen sich auch die Gründe für die höhere Klimasensitivität nicht endgültig bestimmen. Eine wichtige Rolle dürfte die Darstellung von tieferen außertropischen Wolken besonders über dem Südlichen Ozean spielen. Eine mögliche positive Rückkopplung könnte darin bestehen, dass sich durch die globale Erwärmung die tiefere Wolkenbedeckung stärker auflöst und damit mehr Sonneneinstrahlung absorbiert wird.[6]

Die begrenzte Kenntnis der Klimasensitivität macht es schwierig, Ergebnisse von Klimamodellen zu vergleichen, da jedes Modell eine andere Klimasensitivität aufweist. Daher ist es von Vorteil, nicht die Temperaturänderungen, sondern als Vorstufe davon die Änderung der Strahlungsbilanz direkt zu vergleichen. Das hierzu entwickelte Konzept ist das des Strahlungsantriebs. Der Umrechnungsfaktor zwischen dem Strahlungsantrieb und der Temperaturänderung auf der Erde nennt sich Klimasensitivitäts-Parameter und wird in K/W/m2 (also Kelvin pro Watt/m2) angegeben.

Einzelnachweise

  1. Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): IPCC Fourth Assessment Report - Working Group I Report "The Physical Science Basis"
  2. Annan, J.D. und J.C. Hargreaves (2006): Using multiple observationally-based constraints to estimate climate sensitivity, Entwurf vom 30. Januar (PDF)
  3. Royer, Dana L., Robert A. Berner und Jeffrey Park (2007): Climate sensitivity constrained by CO2 concentrations over the past 420 million years, in: Nature, Vol. 446, 29. März, (PDF)
  4. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 12.2
  5. Hausfather, Carbon Brief (2019): CMIP6: the next generation of climate models explained
  6. Zelinka, M.D., T.A. Myers, D.T. McCoy, et al. (2020): Causes of higher climate sensitivity in CMIP6 models, Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2019GL085782

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