Heiße Tage in der Arktis

Aus Klimawandel
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Temperaturen

Heiße Tage in der Arktis[1] sind eine ungewöhnliche Vorstellung. Wenn man sich an Definitionen aus den mittleren Breiten orientiert und als heißen Tag einen Tag versteht, an dem die Höchsttemperatur in zwei Meter Höhe 30°C erreicht oder übersteigt, sind in jüngster Zeit solche Tage auch in der Arktis aufgetreten. So wurden am 25. Juni 2020 in der östlichen Arktis an der Station Werchojansk sogar 38 °C gemessen.[2] Dieser Wert wurde von der WMO als neuer Temperaturrekord für das Gebiet nördlich des Polarkreises eingestuft.[3]

Gerade Sibirien ist prädestiniert für extreme Temperaturen. Nirgendwo auf der Erde sind die Temperaturunterschiede im Jahresverlauf so extrem und liegen im Januar bei rund -40 °C, im Juli etwa +20 °C.[4] So hält Werchojansk (zusammen mit dem ebenfalls russischen Oimekon) mit -67,8 °C zugleich den Rekord für die tiefste je gemessene Temperatur auf der Nordhalbkugel.[5] Hinzu kommt, dass die Region sich durch den anthropogenen Klimawandel doppelt so schnell erwärmt als der Rest der Welt. Temperaturen über 30 °C sind jedoch äußerst selten. Das Jahr 2020 begann in Sibirien allerdings bereits im Winter mit ungewöhnlich hohen Temperaturen. Schon im Mai 2020 lagen die Werte um bis zu 10 °C über dem Mittel und bescherten der Region den wärmsten Mai seit Beginn der Messungen. Auch der gesamte Frühling und der vorhergehende Winter waren ungewöhnlich warm. Die lange Periode von Dezember 2019 bis Mai 2020 fiel deutlich wärmer aus als ähnliche Perioden seit Beginn der Messungen 1979, stellenweise um 8 °C und mehr.[6]

Druckverhältnisse, Schnee und Bodenfeuchte

Bereits der warme Winter und Frühling waren mit ungewöhnlichen Luftruckverhältnissen verbunden. Im Januar bis April herrschten über dem Arktischen Ozean starke Tiefdruckverhältnisse, die sich bis nach Nordsibirien erstreckten. Die Folge war eine starke Bewölkung, die einen sonst um diese Jahreszeit klaren Himmel verhinderte, so dass die winterliche Wärmeausstrahlung gering war. Außerdem wurde der Zustrom warmer und feuchter Luft aus niedrigeren Breiten begünstigt. Ab Mai wiederum kehrten sich die Verhältnisse um. So war die Zeit zwischen dem 18. und 25 Juni durch ein Hochdruckgebiet mit 1014-1018 hPa und einen klaren Himmel, der zu einer starken Sonneneinstrahlung und einem Temperaturanstieg führte.[2] Auch bei dieser Konstellation kam es zum Einstrom warmer Luft aus südlicheren Breiten (Abb….).

Hinzu kam, dass auch die Schneebedeckung und die Bodenfeuchte in der sibirischen Arktis in den vorangegangenen Monaten ungewöhnlich niedrig waren. Die Schneebedeckung schmolz früher als sonst. Der schneefreie Boden sorgte dafür, dass weniger Sonneneinstrahlung reflektiert und mehr absorbiert und als Wärmestrahlung emittiert wurde, was zu einer weiteren Erwärmung führt (Schnee-Albedo-Effekt). Mitte Juni gab es so gut wie keinen Schnee mehr am Boden, zugleich stand die Sonne am höchsten. Durch den früh weggeschmolzenen Schnee und niedrige Niederschläge war der Boden im Juni außerdem weitgehend ausgetrocknet, so dass die geringe Verdunstung zusätzlich zu den hohen Temperaturen beitrug.[4]

Folgen

Als Folge des ungewöhnlich warmen Frühjahrs und Frühsommers 2020 brachen in der Region zahlreiche Waldbrände aus. Bis zum 25. Juni waren davon in ganz Sibirien 20461 km2 betroffen, etwa 2800 km2 mehr als im Jahr zuvor, wodurch allein im Juni 56 Megatonnen CO2 emittiert wurden, was mehr ist als die jährlichen Emissionen mancher Staaten wie z.B. der Schweiz ist. Weitere Folgen waren ein starkes Abschmelzen von Permafrost, wodurch z.B. bei Norilsk ein Öltank auseinanderbrach, nachdem er in den aufgetauten Permafrostboden eingesunken war, und sich 150 000 Barrel Diesel in ein Flusssystem ergossen.[2]

Die Bedeutung des Klimawandels

Berechnungen mit Computermodellen, die in der neuen Disziplin der Zuordnungsforschung eingesetzt wurden, haben ergeben, dass ohne den anthropogenen Klimawandel die Temperaturen inSibirien zwischen Januar und Juni 2020 mindestens um 2 °C kälter gewesen wären. Die in Werchojansk gemessene Rekordtemperatur ist im Vergleich zum Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Klimawandel mehr als 600 Mal wahrscheinlicher geworden.[2]

Einzelnachweise

  1. Traditionell wird die Arktis nach Süden durch den Polarkreis abgegrenzt. In jüngerer Zeit hat sich die 10°-Isotherme im Juli eingebürgert. Die World Meteorological Organization (WMO) grenzt die Arktis nach Süden auch schon mal bei 60°N ab (WMO (2020): Reported new record temperature of 38°C north of Arctic Circle).
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Ciavarella, A., D. Cotterill, P. Stott et al. (2020): Prolonged Siberian heat of 2020
  3. WMO (2020): Reported new record temperature of 38°C north of Arctic Circle
  4. 4,0 4,1 Copernicus Climate Change (2020): Arctic Siberia’s unusual warm spell continues
  5. WMO: World Meteorological Organization Global Weather & Climate Extremes Archive
  6. Copernicus Climate Change (2020): Investigating an unusually mild winter and spring in Siberia

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