Einfluss des Klimawandels auf die Bodenfauna polarer Schelfmeere: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Underwater mcmurdo sound.jpg|thumb|420 px| Meeresboden mit verschiedenen Benthonten im antarktischen McMurdo-Sund]]
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Im Kontext des anthropogen bedingten Klimawandels kommt es auch in den Polarregionen zu erheblichen Umweltveränderungen, die sich auf die polaren Ökosysteme und somit auch auf die Bodenfauna polarer Schelfmeere auswirken. Da sich Arktis und Antarktis hinsichtlich geographischer und hydrodynamischer Gegebenheiten, des erdgeschichtlichen Alters und damit einhergehend auch die Ökosysteme der arktischen und antarktischen Schelfmeere voneinander unterscheiden, ist zu erwarten, dass diese auch in unterschiedlicher Weise vom anthropogen bedingten Klimawandel beeinflusst werden <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Im Kontext des anthropogen bedingten Klimawandels kommt es auch in den Polarregionen zu erheblichen Umweltveränderungen, die sich auf die polaren Ökosysteme und somit auch auf die Bodenfauna polarer Schelfmeere auswirken. Da sich Arktis und Antarktis hinsichtlich geographischer und hydrodynamischer Gegebenheiten, des erdgeschichtlichen Alters und damit einhergehend auch die Ökosysteme der arktischen und antarktischen Schelfmeere voneinander unterscheiden, ist zu erwarten, dass diese auch in unterschiedlicher Weise vom anthropogen bedingten Klimawandel beeinflusst werden <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.


== Die kryo-pelago-benthische Kopplung ==
== Die kryo-pelago-benthische Kopplung ==
Licht dringt maximal 200m tief ins Meerwasser ein; in tieferen Wasserschichten ist somit keine Photosynthese beziehungsweise keine Primärproduktion möglich. Die Zone, in der Photosynthese möglich ist, wird als euphotische Zone bezeichnet. Unterhalb dieser Zone befindliche benthische Ökosysteme sind auf die Nahrungszufuhr von außen angewiesen. Sie hängen von der Primärproduktion des Phytoplanktons in der euphotischen Zone ab, das teilweise durch Sedimentation auf den Meeresboden gelangt. Dieser Zusammenhang wird als pelago-benthische Kopplung bezeichnet (der Freiwasserbereich von Gewässern und Meeren wird als Pelagial bezeichnet) <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Licht dringt maximal 200m tief ins Meerwasser ein; in tieferen Wasserschichten ist somit keine Photosynthese beziehungsweise keine Primärproduktion möglich. Die Zone, in der Photosynthese möglich ist, wird als euphotische Zone bezeichnet. Unterhalb dieser Zone befindliche benthische Ökosysteme sind auf die Nahrungszufuhr von außen angewiesen. Sie hängen von der Primärproduktion des Phytoplanktons in der euphotischen Zone ab, das teilweise durch Sedimentation auf den Meeresboden gelangt. Dieser Zusammenhang wird als pelago-benthische Kopplung bezeichnet (der Freiwasserbereich von Gewässern und Meeren wird als Pelagial bezeichnet) <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
In polaren Gebieten ist dieser Zusammenhang besonders eng ausgeprägt<ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Es sedimentiert ein überproportionaler Anteil der Phytoplanktonproduktion und steht dem Benthos somit als Nahrungsquelle zur Verfügung. Dies ist insbesondere auf das Vorhandensein von Meereis zurückzuführen. Zum einen beeinflusst das Meereis die Algenproduktion in der Wassersäule; zum anderen stellt es den Lebensraum Photosynthese betreibender Primärproduzenten, so genannter Eisalgen, dar <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Vor allem in Eisrandgebieten sinkt verhältnismäßig viel organisches Material ab. Für die Polarregionen existiert somit eine kryo-pelago-benthischen Kopplung <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
In polaren Gebieten ist dieser Zusammenhang besonders eng ausgeprägt<ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Es sedimentiert ein überproportionaler Anteil der Phytoplanktonproduktion und steht dem Benthos somit als Nahrungsquelle zur Verfügung. Dies ist insbesondere auf das Vorhandensein von Meereis zurückzuführen. Zum einen beeinflusst das Meereis die Algenproduktion in der Wassersäule; zum anderen stellt es den Lebensraum Photosynthese betreibender Primärproduzenten, so genannter Eisalgen, dar <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Vor allem in Eisrandgebieten sinkt verhältnismäßig viel organisches Material ab. Für die Polarregionen existiert somit eine kryo-pelago-benthischen Kopplung <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J., D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.


== Einfluss des Klimawandels auf die benthischen Ökosysteme der Arktis ==
== Einfluss des Klimawandels auf die benthischen Ökosysteme der Arktis ==
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Der Meeresboden arktischer Schelfmeere ist zudem durch häufige Störungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen charakterisiert. Während es sich beispielsweise bei Störungen durch grabende Benthonten um kleinskalige Phänomene handelt, kann es durch strandende Eisberge zur Zerstörung ganzer benthischer Lebensgemeinschaften kommen.
Der Meeresboden arktischer Schelfmeere ist zudem durch häufige Störungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen charakterisiert. Während es sich beispielsweise bei Störungen durch grabende Benthonten um kleinskalige Phänomene handelt, kann es durch strandende Eisberge zur Zerstörung ganzer benthischer Lebensgemeinschaften kommen.
Auf Grund der durch Störung geprägten Umweltbedingungen und dem geringen Alter dieses Lebensraumes in der heutigen Form kann davon ausgegangen werden, dass die benthischen Ökosysteme der Arktis relativ unempfindlich gegen Störungen sind.
Auf Grund der durch Störung geprägten Umweltbedingungen und dem geringen Alter dieses Lebensraumes in der heutigen Form kann davon ausgegangen werden, dass die benthischen Ökosysteme der Arktis relativ unempfindlich gegen Störungen sind.
Der Meeresboden des Nordpolarmeers weist sowohl sehr diversitäts- und biomassereiche Gebiete auf, die eine starke kryo-pelago-benthische Kopplung aufweisen (z.B. in Eisrandzonen) als auch Gebiete, die arm an Biomasse und Diversität sind (z.B. Tiefsee des zentralen Nordpolarmeers). Die meisten benthischen Arten sind aus angrenzenden südlicheren Gebieten eingewandert und stellen keine arktischen Endemiten dar <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Der Meeresboden des Nordpolarmeers weist sowohl sehr diversitäts- und biomassereiche Gebiete auf, die eine starke kryo-pelago-benthische Kopplung aufweisen (z.B. in Eisrandzonen) als auch Gebiete, die arm an Biomasse und Diversität sind (z.B. Tiefsee des zentralen Nordpolarmeers). Die meisten benthischen Arten sind aus angrenzenden südlicheren Gebieten eingewandert und stellen keine arktischen Endemiten dar <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Der anthropogen bedingte Klimawandel wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Lebensbedingungen des arktischen Benthos aus. So schreitet zum einen die Erwärmung der Meere derzeit in der Arktisschnellsten voran. Für das 21. Jahrhundert wird nach dem A1B-Szenario eine Temperaturerhöhung um 5 °C prognostiziert, im Winter sogar um 6,9 °C. Weiterhin ist von einem vermehrten Süßwassereintrag über Flüsse in die arktischen Meere sowie von einem drastischen Rückgang der Meereisbedeckung auszugehen. Jedoch werden voraussichtlich nicht alle benthischen Ökosysteme in gleicher Weise von den Veränderungen der Umweltbedingungen betroffen sein.
Der anthropogen bedingte Klimawandel wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Lebensbedingungen des arktischen Benthos aus. So schreitet zum einen die Erwärmung der Meere derzeit in der Arktisschnellsten voran. Für das 21. Jahrhundert wird nach dem A1B-Szenario eine Temperaturerhöhung um 5 °C prognostiziert, im Winter sogar um 6,9 °C. Weiterhin ist von einem vermehrten Süßwassereintrag über Flüsse in die arktischen Meere sowie von einem drastischen Rückgang der Meereisbedeckung auszugehen. Jedoch werden voraussichtlich nicht alle benthischen Ökosysteme in gleicher Weise von den Veränderungen der Umweltbedingungen betroffen sein.
Gemeinschaften in flachen Schelfgebieten werden vor allem vom Rückgang des Meereises, zunehmenden Süßwassereinträgen und damit einhergehenden Einträgen von Nähr-, Schad- und trübenden Stoffen sowie vermehrter Gletscherkalbung und damit verbundener Zunahme von Eisbergstrandungen betroffen sein <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Je nach Häufigkeit und Intensität der Eisbergstrandungen kann die Diversität benthischer Gemeinschaften reicher oder ärmer werden <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Die Bodenfauna küstenferner, tiefer Schelfe und des zentralen Nordpolarmeers wird dagegen vor allem von einer Verschiebung der kryo-pelago-benthischen Kopplung betroffen sein<ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Gemeinschaften in flachen Schelfgebieten werden vor allem vom Rückgang des Meereises, zunehmenden Süßwassereinträgen und damit einhergehenden Einträgen von Nähr-, Schad- und trübenden Stoffen sowie vermehrter Gletscherkalbung und damit verbundener Zunahme von Eisbergstrandungen betroffen sein <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Je nach Häufigkeit und Intensität der Eisbergstrandungen kann die Diversität benthischer Gemeinschaften reicher oder ärmer werden <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Die Bodenfauna küstenferner, tiefer Schelfe und des zentralen Nordpolarmeers wird dagegen vor allem von einer Verschiebung der kryo-pelago-benthischen Kopplung betroffen sein<ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Generell werden die größten Auswirkungen auf die benthischen Ökosysteme der Arktis voraussichtlich durch den Rückgang des Meereises und der damit einhergehenden Veränderung der kryo-pelago-benthische Kopplung ausgelöst<ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Derzeit ist jedoch nicht geklärt, ob eine Verschiebung des Verhältnisses von Phytoplankton und Eisalgen dazu führt, dass dem Zooplankton ein höheres und dem Benthos ein geringeres Nahrungsangebot zur Verfügung steht oder ob das Benthos nach dem Rückgang des Meereises von der insgesamt höheren Primärproduktion (von 50 auf 100 g C/ m² pro Jahr <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>) profitiert <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Eine Verschiebung der trophischen Beziehungen zu Gunsten des Zooplankton hätte eine Verringerung der Größe potenzieller Beutetiere zu Folge <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>. Dies würde sich negativ auf größere Räuber (z.B. Seevögel, Meeressäuger) auswirken, während kleinere Räuber (z.B. Fische) profitieren würden <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>.
Generell werden die größten Auswirkungen auf die benthischen Ökosysteme der Arktis voraussichtlich durch den Rückgang des Meereises und der damit einhergehenden Veränderung der kryo-pelago-benthische Kopplung ausgelöst<ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Derzeit ist jedoch nicht geklärt, ob eine Verschiebung des Verhältnisses von Phytoplankton und Eisalgen dazu führt, dass dem Zooplankton ein höheres und dem Benthos ein geringeres Nahrungsangebot zur Verfügung steht oder ob das Benthos nach dem Rückgang des Meereises von der insgesamt höheren Primärproduktion (von 50 auf 100 g C/ m² pro Jahr <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>) profitiert <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Eine Verschiebung der trophischen Beziehungen zu Gunsten des Zooplankton hätte eine Verringerung der Größe potenzieller Beutetiere zu Folge <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>. Dies würde sich negativ auf größere Räuber (z.B. Seevögel, Meeressäuger) auswirken, während kleinere Räuber (z.B. Fische) profitieren würden <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>.
Darüber hinaus kann es im Rahmen des Klimawandels zur Invasion von Arten aus südlicheren Gebieten in arktische Gebiete und somit zu weitreichenden Veränderungen trophischer Interaktionen in den marinen Ökosystemen der Arktis kommen <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>.
Darüber hinaus kann es im Rahmen des Klimawandels zur Invasion von Arten aus südlicheren Gebieten in arktische Gebiete und somit zu weitreichenden Veränderungen trophischer Interaktionen in den marinen Ökosystemen der Arktis kommen <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D. (2006): The Seafloor Fauna in a Changing Arctic – a Review on Its Past, Present and Future. In: Polarforschung. 75. Bd., Heft (2-3),S. 63-76</ref>.


== Einfluss des Klimawandels auf die benthischen Ökosysteme der Antarktis ==
== Einfluss des Klimawandels auf die benthischen Ökosysteme der Antarktis ==
Die Umweltbedingungen in den antarktischen Schelfmeeren unterscheiden sich deutlich von denen in arktischen Gebieten. So ist der arktische Kontinent von schmalen, tiefen Schelfe (bis 800m) umgeben. Weiterhin stellt die Antarktis ein biogeographisch isoliertes Gebiet dar <ref name="Brandt">Brandt, A. (2006): Marine Biodiversität in den Polarregionen: Nordpolarmeer versus Südpolarmeer. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 167-171.</ref>; ein Austausch von Lebewesen, wie er im arktischen Raum möglich ist, wird hier durch die stabile Polarfront unterbunden. Im antarktischen Raum herrschen zudem seit ca. 23 Mio. Jahren ähnliche Umweltbedingungen. Das Benthos des arktischen Schelfs hat sich somit über einen langen Zeitraum unter isolierten Bedingungen entwickelt <ref name="Brandt">Brandt, A. (2006): Marine Biodiversität in den Polarregionen: Nordpolarmeer versus Südpolarmeer. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 167-171.</ref>.
Die Umweltbedingungen in den antarktischen Schelfmeeren unterscheiden sich deutlich von denen in arktischen Gebieten. So ist der arktische Kontinent von schmalen, tiefen Schelfe (bis 800m) umgeben. Weiterhin stellt die Antarktis ein biogeographisch isoliertes Gebiet dar <ref name="Brandt">Brandt, A. (2006): Marine Biodiversität in den Polarregionen: Nordpolarmeer versus Südpolarmeer. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 167-171.</ref>; ein Austausch von Lebewesen, wie er im arktischen Raum möglich ist, wird hier durch die stabile Polarfront unterbunden. Im antarktischen Raum herrschen zudem seit ca. 23 Mio. Jahren ähnliche Umweltbedingungen. Das Benthos des arktischen Schelfs hat sich somit über einen langen Zeitraum unter isolierten Bedingungen entwickelt <ref name="Brandt">Brandt, A. (2006): Marine Biodiversität in den Polarregionen: Nordpolarmeer versus Südpolarmeer. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 167-171.</ref>.
Viele Arten sind für die Antarktis endemisch und so stark an die dortigen Umweltbedingungen angepasst, dass sie nur unter diesen Bedingungen überleben können <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. So würde eine Erwärmung der küstennahen Gewässer fatale Folgen haben und das Sterben vieler Arten nach sich ziehen.
Viele Arten sind für die Antarktis endemisch und so stark an die dortigen Umweltbedingungen angepasst, dass sie nur unter diesen Bedingungen überleben können <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. So würde eine Erwärmung der küstennahen Gewässer fatale Folgen haben und das Sterben vieler Arten nach sich ziehen.
In den antarktischen Schelfmeeren wechseln sich Gemeinschaften ab, in denen jeweils sessile oder mobile Benthonten überwiegen. Weiterhin gibt es sowohl diversitäts- und biomassearme (z.B. unter Schelfeis) als auch –reiche Gebiete <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
In den antarktischen Schelfmeeren wechseln sich Gemeinschaften ab, in denen jeweils sessile oder mobile Benthonten überwiegen. Weiterhin gibt es sowohl diversitäts- und biomassearme (z.B. unter Schelfeis) als auch –reiche Gebiete <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
In der Antarktis ist die kryo-pelago-benthische Kopplung für die meisten Arten nicht besonders eng; viele Benthonten sind nicht auf die jahreszeitliche Verfügbarkeit von Nahrung angewiesen und können relativ lange Zeiträume ohne Nahrung auskommen <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Beispielsweise richtet sich die Fortpflanzung nach dem Nahrungsangebot und findet bei günstigen Nahrungsbedingungen statt <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
In der Antarktis ist die kryo-pelago-benthische Kopplung für die meisten Arten nicht besonders eng; viele Benthonten sind nicht auf die jahreszeitliche Verfügbarkeit von Nahrung angewiesen und können relativ lange Zeiträume ohne Nahrung auskommen <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Beispielsweise richtet sich die Fortpflanzung nach dem Nahrungsangebot und findet bei günstigen Nahrungsbedingungen statt <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Bei moderaten Veränderungen der Nahrungsverfügbarkeit durch eine höhere Primärproduktion im Rahmen des Meereisrückgangs ist somit kein negativer Effekt zu erwarten. Ein erhöhtes Nahrungsangebot kann sogar zunächst die Diversität steigern aber bei Überschreitung eines Schwellenwertes auch zur Überdüngung und damit zu Diversitätsverlust führen <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.  
Bei moderaten Veränderungen der Nahrungsverfügbarkeit durch eine höhere Primärproduktion im Rahmen des Meereisrückgangs ist somit kein negativer Effekt zu erwarten. Ein erhöhtes Nahrungsangebot kann sogar zunächst die Diversität steigern aber bei Überschreitung eines Schwellenwertes auch zur Überdüngung und damit zu Diversitätsverlust führen <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.  
Die antarktischen Schelfregionen bis in 500m Tiefe sind durch Störungen durch strandende Eisberge gekennzeichnet. Die Bodenfauna ist an die damit einhergehende Zerstörung der zum Teil nur sehr langsam wieder nachwachsenden durch sessile Organismen charakterisierte Gemeinschaften angepasst; die Störungen haben teilweise sogar einen diversitätssteigernden Effekt <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Die praktisch ständig durch Störungen beeinflusste Flachwasserfauna (bis 50m Tiefe) besteht zudem überwiegend aus mobilen Organismen.
Die antarktischen Schelfregionen bis in 500m Tiefe sind durch Störungen durch strandende Eisberge gekennzeichnet. Die Bodenfauna ist an die damit einhergehende Zerstörung der zum Teil nur sehr langsam wieder nachwachsenden durch sessile Organismen charakterisierte Gemeinschaften angepasst; die Störungen haben teilweise sogar einen diversitätssteigernden Effekt <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Die praktisch ständig durch Störungen beeinflusste Flachwasserfauna (bis 50m Tiefe) besteht zudem überwiegend aus mobilen Organismen.
Es ist zu erwarten, dass eine Zunahme der Störungsereignisse im Rahmen des anthropogen bedingten Klimawandels durch strandende Eisberge bis zu einem gewissen Grad keinen negativen Einfluss auf die benthischen Ökosysteme des antarktischen Schelfs haben wird <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Möglicherweise kann es durch den Klimawandel auch zu einem Ausbleiben von Eisbergstrandungen nach einer Phase verstärkter Gletscherkalbung kommen, die negative Folgen für das antarktische Benthos haben kann, da der biodiversitätssteigernde Effekt ausbleibt <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.  
Es ist zu erwarten, dass eine Zunahme der Störungsereignisse im Rahmen des anthropogen bedingten Klimawandels durch strandende Eisberge bis zu einem gewissen Grad keinen negativen Einfluss auf die benthischen Ökosysteme des antarktischen Schelfs haben wird <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>. Möglicherweise kann es durch den Klimawandel auch zu einem Ausbleiben von Eisbergstrandungen nach einer Phase verstärkter Gletscherkalbung kommen, die negative Folgen für das antarktische Benthos haben kann, da der biodiversitätssteigernde Effekt ausbleibt <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.  
Am stärksten sind möglicherweise benthische Gemeinschaften betroffen, die sich unter dem Schelfeis befinden, da bereits große Schelfeisgebiete verschwunden und weitere gefährdet sind <ref name="Piepenburg">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.
Am stärksten sind möglicherweise benthische Gemeinschaften betroffen, die sich unter dem Schelfeis befinden, da bereits große Schelfeisgebiete verschwunden und weitere gefährdet sind <ref name="Piepenburg, D./ Gutt, J.">Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.</ref>.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 10. Januar 2010, 20:16 Uhr

Meeresboden mit verschiedenen Benthonten im antarktischen McMurdo-Sund

Im Kontext des anthropogen bedingten Klimawandels kommt es auch in den Polarregionen zu erheblichen Umweltveränderungen, die sich auf die polaren Ökosysteme und somit auch auf die Bodenfauna polarer Schelfmeere auswirken. Da sich Arktis und Antarktis hinsichtlich geographischer und hydrodynamischer Gegebenheiten, des erdgeschichtlichen Alters und damit einhergehend auch die Ökosysteme der arktischen und antarktischen Schelfmeere voneinander unterscheiden, ist zu erwarten, dass diese auch in unterschiedlicher Weise vom anthropogen bedingten Klimawandel beeinflusst werden [1].

Die kryo-pelago-benthische Kopplung

Licht dringt maximal 200m tief ins Meerwasser ein; in tieferen Wasserschichten ist somit keine Photosynthese beziehungsweise keine Primärproduktion möglich. Die Zone, in der Photosynthese möglich ist, wird als euphotische Zone bezeichnet. Unterhalb dieser Zone befindliche benthische Ökosysteme sind auf die Nahrungszufuhr von außen angewiesen. Sie hängen von der Primärproduktion des Phytoplanktons in der euphotischen Zone ab, das teilweise durch Sedimentation auf den Meeresboden gelangt. Dieser Zusammenhang wird als pelago-benthische Kopplung bezeichnet (der Freiwasserbereich von Gewässern und Meeren wird als Pelagial bezeichnet) [1]. In polaren Gebieten ist dieser Zusammenhang besonders eng ausgeprägt[1]. Es sedimentiert ein überproportionaler Anteil der Phytoplanktonproduktion und steht dem Benthos somit als Nahrungsquelle zur Verfügung. Dies ist insbesondere auf das Vorhandensein von Meereis zurückzuführen. Zum einen beeinflusst das Meereis die Algenproduktion in der Wassersäule; zum anderen stellt es den Lebensraum Photosynthese betreibender Primärproduzenten, so genannter Eisalgen, dar [1]. Vor allem in Eisrandgebieten sinkt verhältnismäßig viel organisches Material ab. Für die Polarregionen existiert somit eine kryo-pelago-benthischen Kopplung [2].

Einfluss des Klimawandels auf die benthischen Ökosysteme der Arktis

Das Nordpolarmeer besteht im wesentlichen aus vier Tiefseebecken, woran sich weitläufige, flache Schelfe der angrenzenden Landmassen anschließen. Zwischen Nordpolarmeer und Atlantik besteht ein reger Austausch von Oberflächenwasser sowie auch von Lebewesen. Weiterhin handelt es sich bei der Arktis um einen erdgeschichtlich relativ jungen Lebensraum, der in seiner heutigen durch Eis geprägten Form erst vor ca. 2 Mio. Jahren entstanden ist. Der arktischen Bodenfauna stand somit ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum zur Verfügung, sich an die Umweltbedingungen anzupassen. Der Meeresboden arktischer Schelfmeere ist zudem durch häufige Störungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen charakterisiert. Während es sich beispielsweise bei Störungen durch grabende Benthonten um kleinskalige Phänomene handelt, kann es durch strandende Eisberge zur Zerstörung ganzer benthischer Lebensgemeinschaften kommen. Auf Grund der durch Störung geprägten Umweltbedingungen und dem geringen Alter dieses Lebensraumes in der heutigen Form kann davon ausgegangen werden, dass die benthischen Ökosysteme der Arktis relativ unempfindlich gegen Störungen sind. Der Meeresboden des Nordpolarmeers weist sowohl sehr diversitäts- und biomassereiche Gebiete auf, die eine starke kryo-pelago-benthische Kopplung aufweisen (z.B. in Eisrandzonen) als auch Gebiete, die arm an Biomasse und Diversität sind (z.B. Tiefsee des zentralen Nordpolarmeers). Die meisten benthischen Arten sind aus angrenzenden südlicheren Gebieten eingewandert und stellen keine arktischen Endemiten dar [1]. Der anthropogen bedingte Klimawandel wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Lebensbedingungen des arktischen Benthos aus. So schreitet zum einen die Erwärmung der Meere derzeit in der Arktisschnellsten voran. Für das 21. Jahrhundert wird nach dem A1B-Szenario eine Temperaturerhöhung um 5 °C prognostiziert, im Winter sogar um 6,9 °C. Weiterhin ist von einem vermehrten Süßwassereintrag über Flüsse in die arktischen Meere sowie von einem drastischen Rückgang der Meereisbedeckung auszugehen. Jedoch werden voraussichtlich nicht alle benthischen Ökosysteme in gleicher Weise von den Veränderungen der Umweltbedingungen betroffen sein. Gemeinschaften in flachen Schelfgebieten werden vor allem vom Rückgang des Meereises, zunehmenden Süßwassereinträgen und damit einhergehenden Einträgen von Nähr-, Schad- und trübenden Stoffen sowie vermehrter Gletscherkalbung und damit verbundener Zunahme von Eisbergstrandungen betroffen sein [1]. Je nach Häufigkeit und Intensität der Eisbergstrandungen kann die Diversität benthischer Gemeinschaften reicher oder ärmer werden [1]. Die Bodenfauna küstenferner, tiefer Schelfe und des zentralen Nordpolarmeers wird dagegen vor allem von einer Verschiebung der kryo-pelago-benthischen Kopplung betroffen sein[1]. Generell werden die größten Auswirkungen auf die benthischen Ökosysteme der Arktis voraussichtlich durch den Rückgang des Meereises und der damit einhergehenden Veränderung der kryo-pelago-benthische Kopplung ausgelöst[1]. Derzeit ist jedoch nicht geklärt, ob eine Verschiebung des Verhältnisses von Phytoplankton und Eisalgen dazu führt, dass dem Zooplankton ein höheres und dem Benthos ein geringeres Nahrungsangebot zur Verfügung steht oder ob das Benthos nach dem Rückgang des Meereises von der insgesamt höheren Primärproduktion (von 50 auf 100 g C/ m² pro Jahr [2]) profitiert [2]. Eine Verschiebung der trophischen Beziehungen zu Gunsten des Zooplankton hätte eine Verringerung der Größe potenzieller Beutetiere zu Folge [2]. Dies würde sich negativ auf größere Räuber (z.B. Seevögel, Meeressäuger) auswirken, während kleinere Räuber (z.B. Fische) profitieren würden [2]. Darüber hinaus kann es im Rahmen des Klimawandels zur Invasion von Arten aus südlicheren Gebieten in arktische Gebiete und somit zu weitreichenden Veränderungen trophischer Interaktionen in den marinen Ökosystemen der Arktis kommen [2].

Einfluss des Klimawandels auf die benthischen Ökosysteme der Antarktis

Die Umweltbedingungen in den antarktischen Schelfmeeren unterscheiden sich deutlich von denen in arktischen Gebieten. So ist der arktische Kontinent von schmalen, tiefen Schelfe (bis 800m) umgeben. Weiterhin stellt die Antarktis ein biogeographisch isoliertes Gebiet dar [3]; ein Austausch von Lebewesen, wie er im arktischen Raum möglich ist, wird hier durch die stabile Polarfront unterbunden. Im antarktischen Raum herrschen zudem seit ca. 23 Mio. Jahren ähnliche Umweltbedingungen. Das Benthos des arktischen Schelfs hat sich somit über einen langen Zeitraum unter isolierten Bedingungen entwickelt [3]. Viele Arten sind für die Antarktis endemisch und so stark an die dortigen Umweltbedingungen angepasst, dass sie nur unter diesen Bedingungen überleben können [1]. So würde eine Erwärmung der küstennahen Gewässer fatale Folgen haben und das Sterben vieler Arten nach sich ziehen. In den antarktischen Schelfmeeren wechseln sich Gemeinschaften ab, in denen jeweils sessile oder mobile Benthonten überwiegen. Weiterhin gibt es sowohl diversitäts- und biomassearme (z.B. unter Schelfeis) als auch –reiche Gebiete [1]. In der Antarktis ist die kryo-pelago-benthische Kopplung für die meisten Arten nicht besonders eng; viele Benthonten sind nicht auf die jahreszeitliche Verfügbarkeit von Nahrung angewiesen und können relativ lange Zeiträume ohne Nahrung auskommen [1]. Beispielsweise richtet sich die Fortpflanzung nach dem Nahrungsangebot und findet bei günstigen Nahrungsbedingungen statt [1]. Bei moderaten Veränderungen der Nahrungsverfügbarkeit durch eine höhere Primärproduktion im Rahmen des Meereisrückgangs ist somit kein negativer Effekt zu erwarten. Ein erhöhtes Nahrungsangebot kann sogar zunächst die Diversität steigern aber bei Überschreitung eines Schwellenwertes auch zur Überdüngung und damit zu Diversitätsverlust führen [1]. Die antarktischen Schelfregionen bis in 500m Tiefe sind durch Störungen durch strandende Eisberge gekennzeichnet. Die Bodenfauna ist an die damit einhergehende Zerstörung der zum Teil nur sehr langsam wieder nachwachsenden durch sessile Organismen charakterisierte Gemeinschaften angepasst; die Störungen haben teilweise sogar einen diversitätssteigernden Effekt [1]. Die praktisch ständig durch Störungen beeinflusste Flachwasserfauna (bis 50m Tiefe) besteht zudem überwiegend aus mobilen Organismen. Es ist zu erwarten, dass eine Zunahme der Störungsereignisse im Rahmen des anthropogen bedingten Klimawandels durch strandende Eisberge bis zu einem gewissen Grad keinen negativen Einfluss auf die benthischen Ökosysteme des antarktischen Schelfs haben wird [1]. Möglicherweise kann es durch den Klimawandel auch zu einem Ausbleiben von Eisbergstrandungen nach einer Phase verstärkter Gletscherkalbung kommen, die negative Folgen für das antarktische Benthos haben kann, da der biodiversitätssteigernde Effekt ausbleibt [1]. Am stärksten sind möglicherweise benthische Gemeinschaften betroffen, die sich unter dem Schelfeis befinden, da bereits große Schelfeisgebiete verschwunden und weitere gefährdet sind [1].

Einzelnachweise

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 1,15 1,16 1,17 Piepenburg, D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Piepenburg, D./ Gutt, J., D./ Gutt, J. (2006): Die Bodenfauna arktischer und antarktischer Schelfmeere. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 126-132. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Piepenburg“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Piepenburg“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Piepenburg“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Piepenburg“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Piepenburg“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. 3,0 3,1 Brandt, A. (2006): Marine Biodiversität in den Polarregionen: Nordpolarmeer versus Südpolarmeer. In: Lozán, J.L. [u.a.] (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Natur.Klimawandel.Ressourcen.Umweltschutz. Hamburg [u.a.]. S. 167-171.

Siehe auch


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