Arktische Verstärkung

Aus Klimawandel
Temperaturänderung 2000–2009 im Vergleich zu 1951-1980

Die Erwärmung der Arktis

Seit 1875 hat sich die Arktis nördlich von 60° n.Br. um 1,36 °C pro Jahrhundert erwärmt und damit doppelt so stark wie im globalen Mittel. Seit 1979 fiel die Erwärmung der arktischen Landoberfläche mit 0,5 °C pro Jahrzehnt noch deutlich höher aus.[1] Zu Beginn des 21. Jahrhunderts betrug die Erwärmung sogar 1,35 °C pro Jahrzehnt.[2] Diese ungewöhnliche Erwärmung der hohen nördlichen Breiten wird als Arktische Verstärkung (der globalen Erwärmung) bezeichnet. Die Mechanismen, die dazu führen, sind weitgehend bekannt. Deren relative Bedeutung ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Dafür können zwei Gründe angeführt werden: Es gibt erstens in der Arktis zu wenige Messstationen, um die Veränderungen des arktischen Klimas umfassend zu belegen. Und zweitens beeinflussen sich die beteiligten Prozesse in quantitativ schwer bestimmbaren Wechselwirkungen gegenseitig.[3]

Als wichtige Ursachen für die Arktische Verstärkung werden vor allem die folgenden Prozesse diskutiert:

  1. Die Schnee- und Eis-Albedo-Rückkoplung
  2. Die Wolken- und Wasserdampfrückkopplung
  3. Die Temperaturgradient-Rückkopplung
  4. Horizontale Wärmetransporte

Eis- und Schnee-Albedo-Rückkopplung

Da die stärkste Erwärmung der Arktis im Herbst und frühen Winter stattfindet, wird zumeist die Abnahme der Meereisausdehnung und –dauer als wichtigste Ursache gesehen.[1] Außer im Sommer isoliert das arktische Meereis einen relativ warmen Arktischen Ozean von einer deutlich kälteren Atmosphäre. Verringert sich die Eisbedeckung, erwärmt sich daher die darüber liegende Atmosphäre. Erwärmt sich das Klima, verlängert sich die sommerliche Schmelzperiode. Es wird eine größere dunkle Wasseroberfläche frei, die Solarstrahlung absorbiert, wodurch sich der Ozean in den oberen ca. 20 m (der sog. Mischungsschicht) erwärmt. Dadurch wird ein weiteres Schmelzen des Meereises angetrieben.

Im Sommer gibt es also einen verstärkten Nettotransfer von Wärme von der Atmosphäre in den Eis-/Ozean-Bereich. Wenn der Sommer zuende geht, existieren größere offene Wasserflächen und mehr Wärme in der oberen Schicht des Ozeans als vor der Klimaerwärmung. Es wird daher einen größeren Wärmefluss vom Ozean zurück in die Atmosphäre geben - und aus der auf diese Weise erwärmten Atmosphäre zurück Richtung Wasseroberfläche. Wenn die Sonnenstrahlung zum Winter hin weniger wird und schließlich ganz aussetzt, gibt der Ozean weiter Wärme an die Atmosphäre ab. Es bildet sich dann neues Eis, das jedoch weniger dick wird, als es im Frühjahr war. Dieses dünnere Eis wird schneller im Sommer schmelzen, wodurch die Erwärmung des Ozeans verstärkt wird usw.[2]

Dieser Mechanismus zur Arktischen Verstärkung wirkt sich auf die untere Atmosphäre am stärksten im Herbst und schwächer im Sommer aus, wenn das schmelzende Eis und die Erwärmung der oberen Wasserschicht die meiste Wärme verbraucht.

Über Land spielt der Rückgang der Schneebedeckung eine zentrale Rolle. Die Erwärmung führt je nach Breite im frühen Frühling bzw. weiter nördlich im frühen Sommer zu einem früheren Abschmelzen der Schneedecke. Dadurch wird eine dunkle, schneefreie Oberfläche frei, die die Sonnenstrahlung absorbiert und sich dadurch erwärmt. Die wärmere Oberfläche emittiert langwellige Strahlung in die untere Atmosphäre, wodurch sich die Lufttemperatur erhöht, die wiederum stärker langwellige Strahlung Richtung Boden ausstrahlt. Datenauswertungen verschiedener Stationen haben zwischen 1967 und 2008 eine Reduktion der arktischen Schneebedeckung um 46 % im Juni und 14 % im Mai ergeben.[2]

Die Arktische Verstärkung wird in Klimamodellen allerdings auch ohne eine Veränderung der Eis- und Schneebedeckung simuliert. Es müssen daher auch andere Feedback-Mechanismen eine wichtige Rolle spielen.[4][3]

Wolken und Wasserdampf

Wolken haben für die Strahlung eine doppelte Funktion. Einerseits reflektieren sie die Solarstrahlung und haben dadurch eine abkühlende Wirkung. Andererseits reflektieren sie die langwellige Wärmestrahlung vom Boden und haben so eine Treibhauswirkung. Über dem Arktischen Ozean haben Wolken außer während einer kurzen Periode im Sommer eine erwärmende Wirkung für die bodennahe Luftschicht. In der Polarnacht ist dieser Effekt besonders stark, da der Alebedo-Effekt wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung ausfällt und allein die Treibhauswirkung von Bedeutung ist. Im Gegensatz zu niederen Breiten, wo Wolken Netto einen Abkühlungseffekt besitzen, wirken sie in der Arktis aber auch im Jahresmittel erwärmend.[3]

Ein zusätzlicher Verstärkungseffekt entsteht durch zunehmenden Wasserdampf in einer wärmeren Atmnosphäre. Eine Erwärmung der Arktis durch Treibhausgase hat zur Folge, dass die Verdunstung verstärkt wird und sich mehr Wasserdampf in der Atmosphäre sammelt. Da Wasserdampf ein starkes Treibhausgas ist, verstärkt sich die Erwärmung, was zu noch mehr Wasserdampf in der Atmosphäre führt usw. – eine positive Rückkopplung. Hinzu kommt, dass durch mehr Wasserdampf auch mehr Wolken entstehen, die in polaren Breiten, wie oben erläutert, erwärmend wirken. Nach manchen Modellrechnungen sind die an Wasserdampf und Wolken gebundenen Feedback-Prozesse wichtiger als der Albedo-Effekt. Satelliten-Beobachtungen 1979-2004 haben gezeigt, dass die Wolkenbedeckung und der Wasserdampfgehalt über dem Arktischen Ozean tatsächlich zugenommen und den Fluss langwelliger Strahlung Richtung Boden im Frühjahr verstärkt haben. Dadurch kam es u.a. zu einem Rückzug des Eisrandes nach Norden. Gerade im letzten Jahrzehnt hatten die größeren freien Wasserflächen vor allem in der kalten Jahreszeit zur Folge, dass sich der Wasserdampfgehalt in der unteren Atmosphäre verstärkt hat.[2]

Stabile Schichtung

Die stärkere Erwärmung der Arktis ist auch darin begründet, dass die Schichtung der Atmosphäre über dem Boden verhältnismäßig stabil geschichtet ist. In den niederen und mittleren Breiten kommt es zu ständigen vertikalen Luftbewegungen durch thermische und dynamische Prozesse. In den Tropen z.B. steigt am Boden erwärmte Luft auf und verteilt die Wärme vertikal. Zunächst bewirkt die Erwärmung am Boden eine höhere Verdunstung, die der bodennahen Luft Wärme entzieht. Diese Wärme steigt als latente Wärme mit dem entstandenen Wasserdampf auf, der in der Höhe kondensiert und die aufgenommene Energie wieder frei setzt. Die der Bodenluft zugefügt Energie wird also nach oben verteilt und kann in der oberen Troposphäre eine stärkere Erwärmung erzeugen als am Boden. In der Arktis dagegen mischt sich die kalte, dichte Bodenluft kaum mit der leichten Höhenluft. Die Erwärmung der bodennahen Luft beschränkt sich weitgehend auf die untere Luftschicht. Da die Temperaturzunahme nicht wie in den Tropen vertikal verteilt wird, erwärmt sich bodennahe Luft in der Arktis schneller.[4] Außerdem ist Troposphäre in der Arktis aufgrund der niedrigen Temperaturen deutlich niedriger als in den gemäßigten Breiten oder gar in den Tropen und wird schon aufgrund ihres geringeren Volumens schneller erwärmt.[3]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 5.1 Polar Amplification
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Serreze, M., and R.G. Barry (2011): Processes and impacts of Arctic amplification: A research synthesis, Global and Planetary Change 77, 85–96
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Notz, D. (2014): Erwärmung der Polarregionen in den letzten 50 Jahren: Ursachen und Folgen, in: Lozán, J.L., et al.: Warnsignal Klima. Die Polarregionen, Hamburg 2014, S. 230-235
  4. 4,0 4,1 Pithan, F., and T. Mauritsen (2014): Arctic amplification dominated by temperature feedbacks in contemporary climate models, Nature Geoscience 7, 181-184

Weblinks

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