Antarktischer Eisschild

Aus Klimawandel
Der Eisschild der Antarktis. Gelber Kreis: keine Satellitenbeobachtung; kleine Kreise: Zu- bzw. Abnahme der Eisdicke

Gegenwärtig gibt es nur zwei Eisschilde auf der Erde, den Antarktischen und den Grönländischen Eisschild. Im Eiszeitalter waren zusätzlich weite Teile Nordamerikas und Eurasiens vereist. Die Antarktis ist 12 Mio km2 groß. Der Niederschlag ist der einer Wüste, mit 13 cm Wasseräquivalent/Jahr. Dennoch befinden sich hier 70 % der weltweiten Süßwasservorräte. Bei einem gänzlichen Abschmelzen der Antarktis würde der globale Meeresspiegel um 56 m ansteigen.[1]

Der Antarktische Eisschild

Mit 26,4 Millionen km3 ist das Eisvolumen der Antarktis[2] etwa neun Mal so groß wie das des grönländischen Eisschildes. Auch die Fläche des Eisschildes der Antarktis ist mit fast 14 Mio km2 etwa acht Mal größer als die Grönlands. Der Eisschild verteilt sich auf unterschiedliche Teile des antarktischen Kontinents.

  • In der Ostantarktis liegt das Eis auf felsigem und gebirgigem Untergrund und erreicht eine maximale Eisdicke von fast 5 km. Zum Rand hin behindern ähnlich wie auf Grönland Gebirgszüge den Eisabfluss, der über über mehrere hundert Kilometer lange Eisströme und Auslassgletscher in den Südlichen Ozean erfolgt.
  • Der Westantarktische Eisschild ruht zu einem großen Teil auf Felsuntergrund, der über weite Teile unter dem Meeresspiegel liegt, weshalb er auch als mariner Eisschild bezeichnet wird. Er ist von großen Schelfeisgebieten umgeben, die etwa 11 % der Ausdehnung des Eisschildes ausmachen und in die relativ schnell fließende Gletscher aus dem Innern münden, vor allem in das Filchner-Ronne- und in das Ross-Schelfeisgebiet. Auch an der Küste zur Amundsensee gibt es einen bedeutenden Gletscherabfluss.
  • Eine Sonderstellung nimmt die Antarktische Halbinsel ein, die bis 62,5 oS nach Norden reicht und der klimatisch sensitivste Bereich ist. Auch hier spielen Schelfeisgebiete, inbesondere das Larsen-Schelf-Eis, eine wichtige Rolle.

Aktuelle Veränderungen

Datei:Antarktis eis.gif
Veränderung der Eismasse der West- und Ostantarktis.

Höhendifferenzmessungen durch Satelliten

Änderung der Massenbilanz des antarktischen Eisschildes 1992-2010

Abschätzungen über Veränderungen des gesamten antarktischen Eisschildes sind in jüngster Zeit durch Satellitenbeobachtungen des Oberflächenniveaus und solche der Schwerkraft des antarktischen Kontinents versucht worden. Die Beobachtungen der Höhenänderungen zeigen für das gesamte Innere der Ostantarktis nördlich von 82 oS von 1992 bis 2003 eine leichte Anhebung des Niveaus durch vermehrten Schneefall, während in der Westantarktis relativ starke Absenkungen, also Massenverlust, dominieren. Eine Gesamtbilanz wird nicht versucht, da die Massenverluste in den Küstenregionen durch Eisdynamik (s.u.) nur sehr schwierig einbezogen werden können.[3] Satellitenbeobachtungen der Höhendifferenz sind für die Abschätzung der Massenbilanz jedoch nur begrenzt brauchbar. Sie zeigen nur den Höhenunterschied zwischen der Oberflächen und dem Satellit, erfassen aber nicht die Dichteänderungen in einzelnen Schichten des Eises und damit auch nicht die Massenbilanz. Außerdem sind sie sehr ungenau in den steil abfallenden Küstenbereichen der Antarktis.[1]

Inzwischen sind allerdings die Messmethoden verbessert worden, indem die Beobachtung weiter an den Südpol heranrückte und an Hängen durch eine höhere Auflösung genauere Daten liefert, so dass auf der Grundlage der Höhenmessungen des Satelliten Cryosat-2 auch Massenveränderungen des Antarktischen Eisschildes bestimmt werden können.[4] Danach ergibt sich ein Massenverlust für den Zeitraum von 2010 bis 2013 für die Westantartis von 137 Gt/Jahr, für die Antartkische Halbinsel von 23 Gt/Jahr und für die Ostantarktis von 3 Gt/Jahr. Der Massenverlust ist damit um 33 % größer, als frühere Untersuchungen für den Zeitraum 2005-2010 ergeben haben, und entspricht einem Meeresspiegelanstieg von 0,45 mm/Jahr.

Schwerefeldmessungen durch Satelliten

Eisverlust und -gewinn in cm Wasseräquivalent nach Gravimetermessungen

Seit 2002 bestimmen zwei Satelliten des GRACE-Projekts[5] das Schwerefeld der Erde mit bisher nicht da gewesener Genauigkeit. Dadurch können Veränderungen der Masse der Eisschilde recht genau ermittelt werden.[6] Diese Gravimetermessungen, bei denen auch die Regionen südlich des 82 oS berücksichtigt wurden, zeigen für den gesamten Eisschild eine Zunahme des Massenverlustes von 104 Gigatonnen[7] pro Jahr zwischen 2002 und 2006 auf 246 Gt/Jahr in 2006-2009[8] und 250 Gt/Jahr in 2010.[1] Andere Auswertungen schreiben der Antarktis zwischen April 2002 und Januar 2009 einen Verlust von 190 Gigatonnen/Jahr zu, woran auch die Ostantarktis mit 57 Gt/Jahr beteiligt sei.[9] Zwischen 1992-2008 hat der Massenverlust insgesamt mit einer jährlichen Rate von 14 Gt/Jahr zugenommen und ist mit dem Massenverlust von Grönland vergleichbar. Die GRACE-Daten reichen allerdings nicht besonders weit zurück, was vor allem ein Problem bei den stark schwankenden Schneefallmengen über der Antarktis darstellt.[1]

Die Zusammenfassung der Forschung bis 2012 durch den 5. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC gibt einen Massenverlust von 30 Gt/Jahr 1992-2001 an, der dann im Zeitraum 2002-2011 auf 147 Gt/Jahr zugenommen hat.[10]

Messungen vor Ort

Etwas ältere regionale Untersuchungen der einzelnen Eisabflussgebiete ergeben ein sehr differenziertes Bild. So sind die Abflüsse von der Ostantarktis und auch Teilen der Westantarktis ins Filchner-Ronne-Schelfeis (und damit ins Weddelmeer) wahrscheinlich im Gleichgewicht. Die Abflussbereiche der Westantarktis ins Rossmeer zeigen einen Massenzuwachs von ca. 33 km3/Jahr. Auch für die Abflussgletscher aus der Ostantarktis ins Ross-Schelfeis zeichnet sich eine positive Bilanz ab. Den größten Massenverlust weisen mit 72 km3/Jahr die Gletscherströme auf, die aus der Westantarktis in die Amundsensee fließen.[11]

Ursachen

Bei der Frage nach den Ursachen der gegenwärtigen Veränderungen steht der Einfluss der globalen Erwärmung im Mittelpunkt. Dabei geht es sowohl um die Entwicklung der Lufttemperatur über dem Antarktischen Eisschild wie der Wassertemperatur des umgebenden Ozeans, da beide Medien Schmelzprozesse des Eisschildes beeinflussen.

Temperaturentwicklung

Eine wichtige und viel diskutierte Frage ist die nach der Erwärmung der Antarktis. Nach den letzten Erkenntnissen haben sich die Temperaturen über der Antarktis insgesamt trotz regionaler Abkühlung in den letzten 50 Jahren erhöht, hauptsächlich über der Antarktischen Halbinsel und der nördlichen Westantarktis. In der Ostantarktis sind die Veränderungen dagegen nur gering. Die Ursachen werden in der globalen Erwärmung durch die Emission von Treibhausgasen und in Veränderungen der stratosphärischen Zirkulation durch die Ozonzerstörung über der Antarktis gesehen.[1]

Neben der Lufttemperatur spielt auch eine höhere Ozeantemperatur eine wichtige Rolle, da das Meerwasser das Eis von den Rändern her angreifen kann. Seit den 1950er Jahren hat es eine deutliche Erwärmung des sog. Südlichen Ozeans bis in über 1000 m Tiefe gegeben.[12] Es ist jedoch unbekannt, wie weit nach Süden bis an die antarktischen Küsten diese Erwärmung reicht, weil entsprechende Messungen fehlen. Hier liegt einer der größten Unbekannten im Verständnis der Entwicklung des Antarktischen Eisschildes.

Eisdynamik

Schmelzen von Schelfeis an der Unterseite

Während die Massenzunahme mit hoher Wahrscheinlichkeit auf verstärkte Niederschläge, die mit der globalen Erwärmung im Zusammenhang stehen, zurückzuführen ist, wird der Hauptgrund für die Massenverluste des antarktischen Eisschildes in der Eisdynamik in den Küstenregionen gesehen. Entscheidend ist dabei die Rolle der Schelfeisgebiete. Ähnlich wie an manchen Küstengebieten Grönlands ist ihre Instabilität die Ursache für ein stärkeres Abfließen von Auslassgletschern und Eisströmen. Die Schelfeise werden von zahlreichen Zuflüssen gespeist, die seit der letzten Eiszeit den Boden bis weit unter die Meeresoberfläche erodiert haben. Sie erstrecken sich von der Aufsetzlinie über einen erodierten Meeresboden, der an einer Endmoräne aus dem glazialen Maximum der Eisausdehnung endet. Über diese Moräne dringt relativ warmes und salzreiches Wasser in die Kaverne unterhalb des Schelfeises ein und verursacht das Abschmelzen an der Unterseite. Durch Aufnahme von Schmelzwasser wird der Salzgehalt und damit die Dichte gesenkt. Das nunmehr leichtere Wasser strömt nach oben entlang der Schelfeisunterseite aus der Kaverne heraus, wodurch neues warmes und salzreiches Wasser Richtung Aufsetzlinie herein gezogen wird. Die so entstehende Zirkulation kann zu immer neuem Abschmelzen an der Schelfeisunterseite führen, wodurch das Schelfeis instabil und brüchig werden und ins Meer abdriften kann. Diese Prozesse sind stark von Veränderungen der Ozeantemperaturen abhängig. So haben Modellrechnungen eine Verdoppelung der Schmelzrate bei einer Erhöhung der Ozeantemperatur um 0,5 ºC ergeben.[13]

Veränderungen der Schelfeisgrenze der Antarktischen Halbinsel. Die farbigen Daten und Linien geben die Lage der Außengrenze des Schelfeises zum Ozean hin an.

Besonders das an die Amundsen-See angrenzende Schelfeis zeigte zwischen 1992 und 2001 starke Verringerungen der Eisdicke um bis zu 5,5 m pro Jahr. Die Ursache liegt in dem Abschmelzen an der Unterseite der Eisschelfe durch warmes Ozeanwasser mit Schmelzraten von 4-17 m/Jahr. Seit 1992 gingen dadurch 92 Gigatonnen[7] Eis pro Jahr verloren und die Eissschelfe verloren 1-7 % ihrer Mächtigkeit. Gleichzeitig hat sich die Aufsetzlinie zurückgezogen, und das Eis ist an der Außenkante zum Meer zunehmend abgebrochen. Die Folge war ein verstärkter Abfluss der Auslassgletscher aus dem Innern des Westantarktischen Eisschildes. Das Schelfeis bremst normalerweise den Abfluss der Gletscher aus dem antarktischen Eisschild. Wird es brüchig oder fehlt es, nimmt die Geschwindigkeit der abfließenden Gletscher zu. Damit wird zunehmend mehr Eis dem Ozean zugeführt. Zwischen 1992 und 2001 hat sich dadurch die Oberfläche des Westantarktischen Eisschildes rund um die Amundsen-See um bis zu 59 cm pro Jahr abgesenkt.[14]

Oberflächliches Abschmelzen

Andere Ursachen als an der Amundsen-See hatte die bekannte Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002, nachdem 1995 schon das kleinere Larsen-A-Schelfeis verschwunden war. Die Antarktische Halbinsel reicht am weitesten nach Norden und zeigte in den letzten 50 Jahren die stärkste regionale Erwärmung der Welt. Hier wurde seit den 1950er Jahren eine Erhöhung der Temperatur um fast 3 oC bzw. 0,54 ºC pro Jahrzehnt gemessen (das globale Mittel liegt bei 0,11 ºC pro Jahrzehnt). Und auch die Ozeantemperaturen sind im Sommer um über 1 ºC angestiegen. Aufgrund der weit nach Norden reichenden Lage und der deutlichen Erwärmung ist die Antarktische Halbinsel das einzige Gebiet des antarktischen Kontinents, bei dem das Abschmelzen an der Oberfläche von Bedeutung ist. Bei der Auflösung des Larsen-Schelfeises hat denn auch das Oberflächenschmelzwasser, das in Gletscherspalten drang, wohl die entscheidende Rolle gespielt. An vielen Schelfeisgebieten ist beobachtet worden, dass sich Oberflächenspalten im Sommer mit Wasser füllen, das nach dem Wiedergefrieren die Spalten weiter nach unten aufsprengt, bis es zum Auseinanderbrechen eines Eisschelfs kommt.[1] Auch beim Larsen-Schelfeis hat sich der Abfluss der Auslassgletscher in das Schelfeisgebiet nach dessen Auflösung und Abbrechen erhöht, und zwar bis um das Achtfache.

Projektionen

Für das 21. Jahrhundert wird das oberflächliche Abschmelzen des antarktischen Eisschildes wegen der niedrigen Temperaturen als relativ gering eingeschätzt. Ausnahmen sind die Küstenzonen und die Antarktische Halbinsel. Der Schneefall wird dagegen zunehmen, weil die Atmosphäre sich erwärmt und mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Netto wird damit die Masse des Eisschildes um ca. 5 % zunehmen und damit zu einer Absenkung des Meeresspiegels nur durch Schneefall und oberflächliches Abschmelzen um 2 cm nach dem Szenario RCP2.6 und um 4 cm nach RCP8.5 bis 2100 führen.[15]

Der Antarktische Eisschild verliert jedoch nicht nur an Masse durch oberflächliches Abtauen, sondern auch durch den Abfluss von Eis über verschiedene Auslassgletscher Richtung Meer. Berücksichtigt man diese Eisdynamik, ist damit zu rechnen, dass der Antarktische Eisschild durchaus einen positiven Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 leisten wird, der vom IPCC mit einem mittleren Wert von 4 cm unabhängig von den Szenarien angegeben wird.[16] Dabei spielt vor allem das vorgelagerte Eisschelf eine entscheidende Rolle, das den Abfluss des Eises Richtung Ozean wie ein Widerlager verlangsamt. Löst sich dieses Eisschelf auf, kann das Eis ungehinderter ins Meer fließen, so wie es bei der bekannten Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002 der Fall war, das zeitweilig bis zu einer Verachtfachung der Abflussgeschwindigkeit der nachgelagerten Auslassgletscher geführt hat. Das Schelfeis ist zum einen durch das Abtauen an der Oberfläche wie beim Larsen-B-Schelfeis gefährdet, zum anderen durch Abschmelzen von unten, ausgelöst durch wärmeres Ozeanwasser. Diese Prozesse und die Folgen für die Eisdynamik sind nicht nur sehr schwierig zu beobachten, sondern auch nur begrenzt in Klimamodellen abzubilden.[17]

Gefährdet sind vor allem die großen Eisschelfe der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis. Bevor die großen antarktischen Eisschelfe, das Ross- und das Filchner-Ronne-Eisschelf jedoch ernsthaft bedroht sind, müsste es eine lokale Erwärmung von 5 bis 7 °C geben, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eher unwahrscheinlich ist. Insgesamt schätzt der IPCC nach Sichtung der vorliegenden Literatur den Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur durch die dynamische Eisbewegungen des Antarktischen Eisschildes auf -1 bis +16 cm, unabhängig von den Szenarien. Die Bandbreite zeigt die große Unsicherheit und geringe Übereinstimmung bei den bisherigen Untersuchungen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich der Beitrag durch die Eisdynamik nach dem Jahr 2100 fortsetzt.[18]

Berechnungen mit einem neueren Eisschild-Schelf-Modell[19] in die fernere Zukunft machen trotz aller Unsicherheiten die Bedeutng der Szenarien sichtbar. Nach dem Szenario RCP2.6 gibt es bis 2100 nahezu keinen Massenverlust und damit keinen Meeresspiegelanstieg durch die Antarktis und nur eine Erhöhung des Meeresspiegels von 20 cm bis 2500. Das Szenario RCP4.5 verursacht dagegen einen nahezu kompletten Kollaps des Westantarktischen Eisschildes innerhalb der nächsten 500 Jahre, wodurch der Meeresspiegel durch den Massenverlust der gesamten Antarktis um 32 cm bis 2100 und um 5 m bis 2500 steigen würde. Noch gravierender würde sich das Szenario RCP8.5 auswirken. Das Larsen-C-Schelfeis löst sich danach um 2055 auf und die Auslassgletscher der Amundsen-See verlieren massiv an Masse und ziehen sich zurück. Bis 2100 trägt die Antarktis dann möglicherweise über 1 m zum Meeresspiegelanstieg bei. Innerhalb der folgenden 250 Jahre wird der Westantarktischen Eisschild weitgehend kollabieren. Nach 2500 Jahre beträgt der Beitrag zum Meeresspiegelanstieg durch die Antarktis insgesamt über 12 m. Die Ozeanerwärmung spielt dabei anfänglich eine wichtige Rolle für das Verhalten einzelner Auslassgletscher. Der langfristige Meeresspiegelanstieg in den Szenarien RCP4.5 und RCP8.5 wird jedoch hauptsächlich durch die atmosphärische Erwärmung und größere Oberflächenschmelze verursacht. Die Erwärmung des Ozeans verhindert allerdings über Jahrtausende die Wiederherstellung des Eisschildes nach einer Einstellung anthropogener CO2-Emissionen.

Ein Blick in die Vergangenheit

Interessante Einblicke in das Verhalten des Antarktischen Eisschildes bei klimatischen Änderungen erlauben Studien zur geologischen Vergangenheit. Die antarktische Vereisung begann vor ca. 34 Mio Jahre vh. Dafür gab es zwei Gründe: 1. die Trennung der Antarktis von Südamerika und Australien, wodurch der Antarktischen Zirkumpolarstrom entstand, der den Zustrom wärmerer Wassermassen von Norden unterband und somit eine thermische Isolierung der Antarktis bewirkte. 2. die bereits seit Ende des Paläozäns (55 Mio Jahre vh.) begonnene starke Abnahme des CO2-Gehalts durch starke Verwitterungsprozesse, die eine globale Abkühlung um 8 °C zur Folge hatte.[20] Nach dem Abschluss der Vereisung im Mittleren Miozän (12-10 Mio vh.) kam es zu verschiedenen wärmeren und kälteren Klimaphasen, die die Eismasse abnehmen und zunehmen ließ.

Vor allem zwei geologische Epochen sind dabei von Bedeutung, weil sie Vergleiche mit der gegenwärtigen Entwicklung erlauben.[21] Im Pliozän vor ca. 3 Mio Jahren lag die CO2-Konzentration wie gegenwärtig bei ungefähr 400 ppm, der Meeresspiegel war jedoch 10-30 m höher als heute. Dieser hohe Meeresspiegel erforderte neben dem Abschmelzen von Grönland und der Westantarktis auch einen deutlichen Eisverlust der Ostantarktis. Auch in der letzten Zwischeneiszeit, dem Eem (130.000-115.000 vh.), war der Meeresspiegel 6,0 bis 9,3 m höher als heute, wobei der CO2-Gehalt allerdings bei nur 280 ppm lag und die globale Mitteltemperatur nur 0-2 °C wärmer war als heute. Die Antarktis hat nach Modellrechnungen zu dem Meeresspiegelanstieg wahrscheinlich mit 3,6-7,4 m und Grönland mit 1,5-2 m beigetragen, die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung, der sog. sterische Effekt, mit 0,4 m. Beide Epochen zeigen, dass es auch bei einer nur geringen Erwärmung langfristig zu einem deutlichen Eisverlust von Eisschilden und einem entsprechenden Meersspiegelanstieg kommen kann.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Rignot, E. (2011): Is Antarctica melting?, WIREs Climate Change 2, 324–331
  2. Mayer, C., und H. Oerter (2014): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán, Hartmut Graßl, Dirk Notz, Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Polarregionen. Wissenschaftliche Fakten, 115-120
  3. Davis, C.H., Y. Li, J. R. McConnell, M.M. Frey, and E. Hanna (2005): Snowfall-Driven Growth in East Antarctic Ice Sheet Mitigates Recent Sea-Level Rise, Science 308, 1898-1901
  4. McMillan, M., A. Shepherd, A. Sundal, K. Briggs, A. Muir, A. Ridout, A. Hogg, and D. Wingham (2014): Increased ice losses from Antarctica detected by CryoSat-2, Geophysical Research Letters, 41, doi:10.1002/2014GL060111.
  5. GRACE steht für Gravity Recovery And Climate Experiment; vgl. Die Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR
  6. Cazenave, A. et al.(2009): Sea level budget over 2003–2008: A reevaluation from GRACE space gravimetry, satellite altimetry and Argo. Global and Planetary Change 65, 83–88
  7. 7,0 7,1 Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde (109) Tonnen oder einer Billion (1012) Kilogramm.
  8. Velicogna, I. (2009): Increasing rates of ice mass loss from the Greenland and Antarctic ive sheets revealed by GRACE, Geophysical Research Letters 36, doi:10.1029/2009GL040222
  9. Chen, J.L., et al. (2009): Accelerated Antarctic ice loss from satellite gravity measurements, Nature Geoscience 2, 859-862
  10. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.4.3
  11. Vgl. Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96
  12. Böning, C.W., A. Dispert, M. Visbek, S. Rintoul, F.U. Schwarzkopf (2008): The response of the Antarctic circumpolar current to recent climate change. Nature Geoscience, 864–869
  13. Lange, M.A., K. Grosfeld, M. Thoma und H. Sandhäger (2006): Die Wechselwirkung von Antarktischen Schelfeisgebieten und dem Ozean und der Beitrag zur ozeanischen Wassermassenbildung, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 87-91
  14. Shepherd, A., D. Wingham, E. Rignot (2004): Warm ocean is eroding West Antarctic Ice Sheet, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 23, L23402
  15. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, FAQ 13.2, Table 13.5
  16. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5
  17. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4
  18. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, Table 13.5
  19. DeConto, R.M., and D. Pollard (2016): Contribution of Antarctica to past and future sea-level rise, Nature 531, 591-597
  20. Grosfeld, K., M. Thoma, S. Göller & H. H. Hellmer (2015): Der Westantarktischen Eisschild im Klimawandel. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vetter (Hrsg.): Warnsignal Klima. Das Eis der Erde, 238-244
  21. DeConto, R.M., and D. Pollard (2016): Contribution of Antarctica to past and future sea-level rise, Nature 531, 591-597


Literatur

Weblinks


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