Aktuelle Klimaänderungen: Unterschied zwischen den Versionen

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Die globale Mitteltemperatur ist zwischen den 30-Jahresperioden 1901-1930 und 1986-2015 um 0,8 °C angestiegen.<ref>NASA Gistemp: [http://data.giss.nasa.gov/gistemp/maps/ GISS Surface Temperature Analysis]</ref> Die Mitteltemperatur des Jahres 2015 lag zum ersten Mal um mehr als 1 °C über dem Mittel der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<ref>Blunden, J. and D. S. Arndt, Eds., 2016: State of the Climate in 2015. Bull. Amer. Meteor. Soc., 97 (8), S1–S275, DOI:10.1175/2016BAMSStateoftheClimate.1</ref>  15 der 16 bisher gemessenen wärmsten Jahre liegen bereits im 21. Jahrhundert; die einzige Ausnahme ist 1998. Und die fünf wärmsten Jahre liegen alle im neuen Jahrzehnt der 2010er Jahre.<ref name="MOAA 2017">NOAA National Centers for Environmental Information, State of the Climate (2017): [https://www.ncdc.noaa.gov/sotc/global/201613 State of the Climate: Global Analysis for Annual 2016]</ref>
[[Bild:Temp global aktuell.jpg|thumb|480px|Abb. 1: Globale Jahresmittelwerte der bodennahen Lufttemperatur und Jahrzehntmittelwerte. 2023: vorläufig]]
[[Bild:Temp1980-2015.jpg|thumb|480px|Abb. 1: Globale Jahresmittelwerte der bodennahen Lufttemperatur und Jahrzehntmittelwerte]]
[[Bild:Global-temp-decades.jpg|thumb|440px|Abb. 2: Änderung der globalen Mitteltemperatur 1850-2020: Jahresmittel, gleitende 10-Jahresmittel und Dekaden-Mittel.]]
==Der Klimawandel hat nicht ausgesetzt==
==Die globale Mitteltemperatur==
=== Globale Temperaturerhöhung ===
Die [[Globale Mitteltemperatur|globale Mitteltemperatur]] hat sich besonders seit 1980 stark erhöht und ein im [[Klima im 20. Jahrhundert|20. Jahrhundert]] unübertroffenes Niveau erreicht. Abb. 1 zeigt die globalen Jahresmitteltemperaturen mit Bezug auf das Mittel 1901-2000. Deutlich sind einerseits starke Schwankungen von Jahr zu Jahr sichtbar, andererseits insgesamt ein deutlicher Temperaturanstieg über die letzten vier Jahrzehnte. Von den zehn wärmsten Jahren der gesamten Periode liegen alle bereits in den 2010er Jahren und danach. 2016, 2020, 2019, 2015, 2017, 2022, 2021, 2018, 2014 und 2010 waren in absteigender Reihenfolge die bisher wärmsten Jahre der Messreihe.<ref name="NOAA 2021">NOAA (2021): [https://www.ncei.noaa.gov/access/monitoring/climate-at-a-glance/global/time-series/globe/land_ocean/ann/12/1880-2022 Climate at a Glance. Global Time Series]</ref> Dabei hat das Tempo der Erwärmung deutlich zugenommen. So betrug die Temperaturzunahme pro Jahrzehnt im Zeitraum 1901-1950 ca.0,10 °C, zwischen 1979 und 2012 dagegen ca. 0,27 °C.<ref name="IPCC 2013a">IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 2.4</ref>  Im ersten Fall würde das eine Erwärmung von 1 °C in 100 Jahren bedeuten, im zweiten von fast drei Grad pro Jahrhundert. Die letzten 10 Jahre 2011 bis 2020 waren um 1,1 °C wärmer als die als „vorindustriell“ definierte Periode 1850-1900. Das Jahrzehnt 2011-2020 ist damit nach Einschätzung des Weltklimarats IPCC das wahrscheinlich wärmste Jahrzehnt seit der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 125.000 Jahren.<ref name="IPCC 2021 TS">IPCC (2021): Technical Summary, in: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Cross-Section Box TS.1</ref>  Das Jahr 2016 lag mit 1,37 °C und das Jahr 2020 mit 1,36 °C über dem vorindustriellen Wert (1850-1900).<ref name="Berkeley Earth 2023">Berkeley Earth (2023): [http://berkeleyearth.org/global-temperature-report-for-2022/ Global Temperature for 2022]</ref>


Dennoch hat die geringe Temperaturzunahme im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in den Medien Spekulationen über ein Aussetzen des Klimawandels hervorgerufen, so etwa in einem aktuellen Spiegel-Online-Artikel.<ref>Axel Bojanowski: [http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/stillstand-der-temperatur-erklaerungen-fuer-pause-der-klimaerwaermung-a-877941.html Forscher rätseln über Stillstand bei Erderwärmung], Spiegel Online 18.1.2013</ref><ref>Vgl. zu dem Thema auch: Easterling, D. R., and M. F. Wehner (2009): Is the climate warming or cooling?, Geophysical Research Letters, 36, L08706, doi:10.1029/2009GL037810</ref> Tatsächlich lag die globale Mitteltemperatur nach den Daten der amerikanischen Wetterbehörde NOAA 1998 um 0,63 °C über dem Mittelwert von 1901-2000 und fünfzehn Jahre später, im Jahre 2012, nur um 0,57 °C darüber.<ref>Alle folgenden Temperaturdaten nach National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA): [ftp://ftp.ncdc.noaa.gov/pub/data/anomalies/annual.land_ocean.90S.90N.df_1901-2000mean.dat Annual global temperatures]</ref> Die beiden dazwischen liegenden Spitzenjahre 2005 und 2010 lagen mit 0,65 °C und 0,66 °C nur unwesentlich über dem Wert von 1998. Die globale Temperatur nimmt also trotz weiterhin steigender CO<sub>2</sub>-Konzentration von 367 ppm im Jahre 1998 auf 394 ppm<ref>[ftp://ftp.cmdl.noaa.gov/ccg/co2/trends/co2_annmean_mlo.txt Mauna Loa CO2 annual mean data] Jahresmittelwerte </ref>  im Jahre 2012 und 400 ppm im Mai 2013 sowie einer Steigerungsrate von 3,1 ppm/Jahr<ref name="MetOffice 2013a">MetOffice (2013): [http://www.metoffice.gov.uk/research/news/recent-pause-in-warming The recent pause in global warming (1): What do observations of the climate system tell us?]</ref> offensichtlich nicht mehr zu. Bedeutet das, dass damit die globale Erwärmung durch die Emission von [[Treibhausgase]]n durch den Menschen nicht mehr wirksam ist? Um diese Frage zu beantworten, müssen die sowohl die Daten selbst als auch die Gründe für die aktuelle Temperaturentwicklung genauer betrachtet werden.
Die globale Mitteltemperatur erfasst sowohl die Daten über dem Land wie die [[Meeresoberflächentemperatur]]en. Da 71 % der Erdoberfläche von den [[Ozean im Klimasystem|Ozeanen]] bedeckt sind, kommt den Meeresoberflächendaten sogar eine deutlich größere Bedeutung für die globale Mitteltemperatur zu als den Landtemperaturen. Andererseits lebt die Menschheit auf den Landflächen und erfährt den [[Klimawandel]] vor allem hier. Die [[Nachweis einer anthropogenen Klimaänderung|Erwärmung des Klimas durch den Menschen]] ist hier fast doppelt so stark wie über den Ozeanen (s.u.) und betrug zwischen 2011-2020 und 1850-1900 1,59 °C.<ref name="IPCC 2021 TS" /> Damit leben und wirtschaften die Menschen bereits in einer Welt von mehr als 1,5 °C Temperaturerhöhung, die nach den Beschlüssen der [[2-Grad-Ziel|Klimakonferenz in Paris 2015]] global (über Land und Meer) in diesem Jahrhundert möglichst nicht überschritten werden sollte. Die Erwärmung läuft allerdings auch über dem Land je nach Region unterschiedlich ab. Verhältnismäßig gering erwärmen sich die Kontinente auf der Südhalbkugel und in den [[Tropen]], besonders stark die hohen nördlichen Breiten Nordamerikas und Eurasiens. So hat sich die [[Arktische Verstärkung|Arktis]] mit einer Temperaturerhöhung von 3,1 °C zwischen 1971 und 2019 etwa dreimal so stark erwärmt wie der globale Durchschnitt.<ref>AMAP (2021): [https://www.amap.no/documents/doc/arctic-climate-change-update-2021-key-trends-and-impacts.-summary-for-policy-makers/3508 Arctic Climate Change Update 2021: Key Trends and Impacts. Summary for Policy-makers]</ref>


== Beobachtete Klimaänderungen ==
[[Bild:Global-temp-1940-2024.jpg|thumb|440px|Abb. 3: Die globale Oberflächentemperatur 1979 bis Januar 2024 in °C. Die globale Mitteltemperatur 2023 übertrifft vor allem in der zweiten Jahreshälfte deutlich alle anderen Jahre.]]
=== 2023 - das wärmste Jahr! ===
* Hauptartikel: [[2023 - das wärmste Jahr]]
2023 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen. Die globale Mitteltemperatur lag nach dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union mit 1,48 °C über der vorindustriellen Periode 1850-1900 nur noch knapp unter der 1,5-Grad-Grenze, die nach dem Klimaabkommen von Paris (2015) im 21. Jahrhundert längerfristig nicht überschritten werden sollte, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Und 2023 übertraf mit 0,17 °C deutlich das bisher wärmste Jahr 2016.<ref name="Copernicus Climate Change 2024">Copernicus Climate Change Service (2024): [https://climate.copernicus.eu/global-climate-highlights-2023 Global Climate Highlights 2023]</ref>  Nach einem kühlen Beginn aufgrund vorherrschender La-Nina-Bedingungen war jeder Monat seit Juni bis Oktober der wärmste je gemessene Monat seit 1991. Juli und August lagen um 0,3 °C über dem jeweils früheren Rekord-Monat, der September sogar um 0,5 °C. Einen solchen Abstand zu früheren Rekord-Monaten wie im September hatte es noch nie gegeben. Bei den absoluten Temperaturen lag der Juli 2023 zum ersten Mal über der 17-Grad-Marke.<ref name="Hausfather 2023">Hausfather, Z., Carbon Brief (2023): [https://www.carbonbrief.org/state-of-the-climate-global-temperatures-throughout-mid-2023-shatter-records/ State of the climate: Global temperatures throughout mid-2023 shatter records]</ref> Anfang Juli wurde der wärmste je gemessene Tag registriert. Fast die Hälfte der Tage des Jahres 2023 zeigten eine Mitteltemperatur von über 1,5 °C.<ref name="Copernicus Climate Change 2024" /> Die Ausdehnung des antarktischen Meereises war auf einem beispiellos niedrigen Niveau mit weniger als 2,7 Mio. km<sup>2</sup> unter dem Mittel von 1991-2023. Und über Kanada dehnten sich Waldbrände über nie erfahrene Flächen aus und signalisierten vielleicht den Beginn eines neuen Feuerregimes.<ref name="Ripple 2023">Ripple, W.J., C. Wolf, J.W. Gregg et al. (2023): [https://doi.org/10.1093/biosci/biad080 The 2023 state of the climate report: Entering uncharted territory], BioScience, 2023;, biad080</ref> Zugleich zeigte der Sommer 2023 global außergewöhnlich hohe Meeresoberflächentemperaturen. Normalerweise wird die höchste Meeresoberflächentemperatur im März gemessen, was mit der größeren Wassermasse auf der Südhalbkugel im Vergleich zur Nordhemisphäre zusammenhängt, und nimmt dann ab. 2023 stieg die Temperatur an der Wasseroberfläche dagegen ab Mai wieder an und erreichte einen Rekordwert im August von fast 21 °C, womit der Mai 2023 mit Abstand der wärmste je gemessene Monat war.<ref name="Copernicus 2023b">Copernicus (2023b): [https://climate.copernicus.eu/record-high-global-sea-surface-temperatures-continue-august Record high global sea surface temperatures continue in August]</ref>


Die globale Temperaturkurve zeigt immer wieder starke Schwankungen von Jahr zu Jahr. Einzelne Jahre miteinander zu vergleichen, wie etwa das für die 1990er Jahre außergewöhnlich warme Jahr 1998 und das eher kühle Jahr 2012, sagt daher nichts über die Klimaentwicklung in diesem Zeitraum aus, sondern nur über die Temperaturverhältnisse in zwei zufällig herausgegriffenen Jahren. Dabei geht es um Wetterverhältnisse, nicht um Klima. Um einen längerfristigen klimatischen Trend von 20 oder 30 Jahren zu bestimmen, müssen längere Zeiträume, mindestens Jahrzehnte, miteinander verglichen werden. Dabei kommt man dann zu ganz anderen Ergebnissen: Der Mittelwert des Jahrzehnts 1981-1990 lag um 0,25 °C über dem langjährigen Mittel der Jahre 1901-2000, der von 1991-2000 lag um 0,40 °C und der des Jahrzehnts 2001-2010 um 0,6 °C darüber. Die 2000er Jahre waren also deutlich wärmer als die 1990er und diese deutlich wärmer als die 1980er Jahre. Sie sind auch deutlich das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der (global relevanten) Messungen Mitte des 19. Jahrhunderts, wahrscheinlich sogar seit dem Mittelalter. 12 der 14 wärmsten Jahre seit 1850 liegen im neuen Jahrhundert. Nur 1998 und 1997 gehören noch dazu.(vgl. auch die neue Studie des Met Office<ref name="MetOffice 2013a" />).
Das Jahr 2023 war möglicherweise der Einstieg in eine von der Menschheit nie erfahrenen Klimaperiode. Das schnelle Tempo des Wandels hat Wissenschaftler überrascht und Besorgnis über die Gefahren extremer Wetterbedingungen hervorgerufen.<ref name="Ripple 2023" /> Die Grenze von 1,5 °C, die nach dem Paris-Abkommen von 2015 die Grenze zu einem gefährlichen Klimawandel markiert, wurde nur knapp unterschritten. Allerdings ist damit die Mitteltemperatur über einen längeren Zeitraum gemeint, nicht nur über ein Jahr oder gar einen Monat.<ref>Berkeley Earth (2023): [https://berkeleyearth.org/september-2023-temperature-update/ September 2023 Temperature Update]</ref>


Dennoch bleibt festzuhalten, dass sich seit ca. 2000 die globale Mitteltemperatur (auf hohem Niveau) bis zum Beginn der 2010er Jahre etwa gleich geblieben ist. Interessant sind einige regionale Unterschiede: Die Pause nach 2000 findet sich nicht in der Arktis, die sich insgesamt doppelt so schnell erwärmt wie im globalen Mittel und deren Erwärmung weiter anhält. Die globalen Landgebiete haben sich seit 1970 um 0,26 °C erwärmt, die Temperatur über den Ozeanen nur um 0,13 °C. Die Landgebiete zeigen auch nach 2000 einen leichten Temperaturanstieg. Insgesamt zeigen die Daten, dass sich die aktuelle Pause der Erwärmung vor allem aus der geringen Erwärmung über den Ozeanen, bes. über dem östlichen Pazifik, herleitet.<ref name="MetOffice 2013a" />  
=== Ursachen ===
Die längerfristigen Temperaturveränderungen über Jahrzehnte werden zunehmend durch den steigenden Gehalt anthropogener [[Treibhausgase]] in der Atmosphäre bestimmt. Der CO<sub>2</sub>-Gehalt der Atmosphäre liegt inzwischen bei 420 ppm, die Methan-Konzentration bei 1920 ppb und die Disticksoff-Konzentration bei fast 337 ppb, mit langfristig unveränderten Steigerungsraten.<ref>NOAA - Global Monitoring Laboratory (2023): [https://gml.noaa.gov/ccgg/trends/ Carbon Cycle Greenhouse Gases]</ref> In den Schwankungen von Jahr zu Jahr dagegen zeigen sich natürliche Einflussfaktoren, vor allem durch das [[ENSO]]-System (Abb. 4).
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|<div class="tleft" style="clear:none">[[Bild:ENSO global temp 2022.png|thumb|840px|Abb. 4: Globale Temperaturen und ENSO. Globale Monatsmitteltemperaturen und El-Niño- und La-Niña-Jahre 1950-2022]]</div>
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Das bisher wärmste Jahr, 2016, war durch einen starken [[ENSO|El Niño]], eine periodisch auftretende ungewöhnliche Erwärmung im tropischen Pazifik, beeinflusst, während im Jahr 2017 eine schwache La Niña, die kühle Gegenphase zum warmen El  Niño,<ref name="Met Office 2018">Met Office (2018): [https://www.metoffice.gov.uk/news/releases/2018/2017-temperature-announcement 2017: warmest year on record without El Niño]</ref> und 2019 eine neutrale Situation vorherrschten. Ab 2020 dominierte eine längere La-Niña-Phase.<ref name="WMO 2023">World Meteorological Organization, WMO (2023): [https://library.wmo.int/index.php?lvl=notice_display&id=22265#.ZETuTM7P2Un State of the global climate 2022]</ref> Als Folge stiegen die Temperaturen ab 2021 nicht weiter an, blieben aber deutlich über dem Niveau von vor 2015, als der leztzte starke El Niño einsetzte, und zeigen damit die Auswirkungen der Erwärmung durch anthropogene Treibhausgase. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass ein neuer El Niño auf dem Weg ist, da die Oberflächentemperaturen im östlichen Pazifik eine klare Erwärmung zeigen.<ref>NOAA (2023): [https://www.noaa.gov/news/what-to-watch-for-el-nino-likely-to-develop-summer What to watch for: El Nino likely to develop this summer]</ref> Als Folge könnte die globale Mitteltemperatur in den nächsten Jahren wieder stärker ansteigen, wobei höchstwahrscheinlich sogar die auf der Klimakonferenz von Paris geforderte 1,5-Grad-Grenze überschritten wird.<ref>WMO (2023): [https://public.wmo.int/en/media/press-release/wmo-update-el-ni%C3%B1o-may-return WMO Update: El Niño may return]</ref> Zwischen den wichtigsten Temperaturreihen der NASA, der amerikanischen Wetterbehörde NOAA und des britischen MetOffice gibt es in dieser Hinsicht weitgehende Übereinstimmung.<ref name="CarbonBrief 2019">CarbonBrief (2021): [https://www.carbonbrief.org/state-of-the-climate-2020-ties-as-warmest-year-on-record State of the climate: 2020 ties as warmest year on record]</ref>


[[Bild:Temp 1980 2012.jpg|thumb|480px|Abb. 2: Temperaturentwicklung nach fünf Datensätzen (blau) und unter Herausrechnung der Einflüsse der Solarstrahlung, von ENSO und Vulkanausbrüchen (rot).]]
Dann befindet sich der 11-jährige Solarzyklus in einer positiven Phase. Weiterhin hat es im Januar 2022 den ungewöhnlichen untermeerischen Vulkanausbruch des Hunga Tonga gegeben, bei dem sehr viel Wasserdampf in die Stratosphäre gelangt ist, aber nur wenige Sulfat-Aerosole entstanden. Und schließlich wurden 2020 durch ein internationales Abkommen die Schwefeldioxid-Emissionen durch den Schiffsverkehr um 8,5 Mio. t pro Jahr auf 2,5 Mio. t reduziert, was eine abrupte Abnahme der globalen SO<sub>2</sub>-Emissionen um 10% bedeutete.<ref name="Hausfather 2023" /><ref>Hausfather Z, Forster P. 2023. Analysis: [https://www.carbonbrief.org/analysis-how-low-sulphur-shipping-rules-are-affecting-global-warming/ How low-sulphur shipping rules are affecting global warming]. Carbon Brief</ref>


== Ursachen der Erwärmungspause==
Die Wirkung von Aerosolen reicht jedoch über die Maßnahme beim Schiffsverkehr weit hinaus. Durch menschliche Aktivitäten ist es im 20. Jahrhundert zunächst zu einer sich verstärkenden Emission von [[Aerosole]]n, und zwar besonders von [[Sulfataerosole|SO<sub>2</sub>-Aerosolen]], gekommen. Das hat dazu geführt, dass die globale Erwärmung abgeschwächt wurde, weil Aerosole durch die Reflektion von Sonnenstrahlung und die Förderung der Wolkenbildung eine Abkühlung bewirkten. Seit den 2000er Jahren hat die Luftreinhaltepolitik in zahlreichen Staaten jedoch dazu geführt, dass die SO<sub>2</sub>-Emissionen auch global zurückgegangen sind, in manchen Regionen wie Europa und Nordamerika auch schon seit den 1970er und 1980er Jahren. Die Folge war eine Verringerung des Abkühlungseffekts durch Aerosole, wodurch sich die Erwärmung durch die zunehmenden Treibhausgase ungehinderter bemerkbar machen konnte. Nach Jenkins et al. (2022) hat sich dadurch die Zunahme der globalen Mitteltemperatur von 0,18 °C/Jahrzehnt in den 2000er Jahren auf 0,35 °C/Jahrzehnt in den 2010er Jahren fast verdoppelt.<ref name="Jenkins 2022">Jenkins, S., R. Grainger, A. Povey, A. Gettelman, P. Stier and M. Allen (2022): [https://doi.org/10.1175/JCLI-D-22-0081.1 Is Anthropogenic Global Warming Accelerating?], J. Climate, 1–43</ref>


Worin könnten die Ursachen für den fehlenden Anstieg der globalen Mitteltemperatur seit Beginn des neuen Jahrhunderts liegen? Da der Anstieg der Konzentration der Treibhausgase unvermindert anhält, kommen als Einflussfaktoren nur [[Natürliche Klimaschwankungen|natürliche Klimaschwankungen]] in Frage. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Prozesse unterscheiden, zum einen eine Veränderung im [[Strahlungshaushalt der Atmosphäre|Strahlungshaushalt]] der Atmosphäre und zum andern eine veränderte Energieverteilung durch interne Klimaschwankungen.  
== Tages- und Nachttemperaturen und das Stadtklima ==
Bei einem Vergleich zwischen Tages- und Nachttemperaturen zeigt sich, dass die Minimumtemperaturen zwischen 1950 und 2004 stärker als die Maximumtemperaturen zunahmen und der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperaturen dadurch abnahm. Dieser Trend war besonders ausgeprägt zwischen 1960 und 1980 und nahm danach ab. In einigen Regionen wie Europa und Australien kam es sogar zu einer Zunahme der Differenz zwischen Tages- und Nachttemperaturen nach 1980.<ref>Thorne, P. W., et al. (2016): Reassessing changes in diurnal temperature range: Intercomparison and evaluation of existing global data set estimates, J. Geophys. Res. Atmos., 121, 5138– 5158, doi:10.1002/2015JD024584.</ref> Die abnehmende Tag-Nacht-Differenz hat zu der Vermutung geführt, dass dafür eventuell die zunehmende Verstädterung mitverantwortlich sein könnte, da die [[Hitzewellen in großen Städten|urbanen Wärmeinseln]] die Nachttemperaturen stärker als die Tageswerte beeinflussen.<ref>IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems, Cross-Chapter Box 4 - Climate change and urbanisation</ref> Im Hinblick auf die jährlichen globalen Mitteltemperaturen spielt die Verstädterung allerdings nur eine zu vernachlässigende Rolle. Regional und lokal kann die Urbanisierung jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit von Extremereignissen, wie besonders [[Hitzewellen]], haben.<ref name="IPCC 2021 Box 10.3">IPCC (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis, Box 10.3</ref>


===Veränderte Strahlung===
== Land und Ozean ==
Die Temperatur des Klimasystems wird grundlegend kontrolliert durch die eingehende kurzwellige Solarstrahlung und die ausgehende langwellige Strahlung des Planeten. Die Treibhausgase fangen einen Teil dieser langwelligen Strahlung in der Atmosphäre ab und erwärmen das System. Die steigende Emission anthropogener Treibhausgase verstärkt diesen Effekt. Die Konzentration des mit Abstand wichtigsten anthropogenen Treibhausgases, nämlich Kohlendioxid,  ist unvermindert angestiegen. Für eine Änderung des Strahlungshaushalts kommen daher nur natürliche Prozesse in Frage.  
=== Die Rolle des Ozeans ===
Bei Betrachtung der gesamten Energie, die durch menschliche Aktivitäten in das [[Klimasystem]] gelangt, sollte man jedoch nicht nur die [[Atmosphäre]] berücksichtigen. Der allergrößte Teil der zusätzlichen Energie, die zwischen 1971 und 2010 das Erdsystem erwärmt hat, nämlich über 90 %, wurde vom Ozean aufgenommen.<ref name="IPCC 2013b">IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 3.1</ref> Die [[Erwärmung des Ozeans]] zeigt sich vor allem in den oberen 700 m Wasserschicht, aber auch zwischen 700 und 2000 m Tiefe. Der Ozean ist insofern in mancher Hinsicht ein besserer Indikator für die globale Erwärmung des Klimasystems durch den Menschen als die globale Oberflächentemperatur. Er nimmt nicht nur die mit Abstand größte Menge an zusätzliche Wärme auf, sondern zeigt auch weniger Schwankungen von Jahr zu Jahr und spiegelt damit besser die stetige Zunahme von anthropogenen [[Treibhausgase]]n wider als die einer stärkeren Variabilität unterliegenden atmosphärischen Temperaturen. Bei Berücksichtigung des Ozeans hat es daher auch die viel diskutierte [[Die sogenannte Erwärmungspause|„Erwärmungspause“]] in den 2000er Jahren gar nicht gegeben.<ref name="MetOffice 2013">MetOffice (2013): The recent pause in global warming (1): What do observations of the climate system tell us?; MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?</ref> Die ‚Erde‘ hat sich weiterhin erwärmt; nur ist ein größerer Teil der Wärmemenge in den Ozean gegangen. Durch seine großes Volumen und seine hohe Wärmekapazität ist der Ozean mit Abstand das größte Wärme-Reservoir im Klimasystem. Die Wärmeaufnahme durch den Ozean stellt daher einen Puffer bei Klimaänderungen dar und verlangsamt im gegenwärtigen Klimawandel deutlich die Erwärmungsrate der Atmosphäre. Andererseits ist die durch die Wirkung der Treibhausgase dem Klimasystem hinzugefügte Energie dadurch nicht 'verschwunden' und kann vom Ozean wieder an die Atmosphäre abgegeben werden.


Eine Möglichkeit, die einfallende Strahlung von der Sonne zu verringern, wären Vulkanausbrüche. Bei starken Vulkaneruptionen werden Aerosole bis in die Stratosphäre geschleudert und können dort in nennenswertem Maße Sonnenstrahlen reflektieren und so zu einer Abkühlung am Boden führen. Die wenigen größeren Vulkanausbrüche der letzten 50 Jahre liegen jedoch mehr als 20 Jahre zurück, mit dem Ausbruch des Mt. Pinatubo von 1991 als dem letzten und stärksten Ereignis. Die abkühlende Wirkung von Vulkanausbrüchen hält außerdem nur zwei bis drei Jahre an. Damit kommen Vulkanausbrüche für die aktuelle Erwärmungspause nicht in Frage.
[[Bild:Temp land ocean1880-present.png|thumb|480px|Abb. 5: Veränderung der globalen Oberflächentemperatur über dem Land (rot) und der Meeresoberflächentemperatur (blau) 1880-2022 im Vergleich zur Basis 1951-1980]]


Auch durch menschliche Aktivitäten könnte sich die Aerosol-Konzentration in der Atmosphäre erhöhen und damit eine Abkühlung bewirken. Tatsächlich sind die anthropogenen Emissionen von Sulfat-Aerosolen von 106 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2000 auf 112 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.<ref name="Klimont 2013">Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003</ref> Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg kann demnach nicht angenommen werden.<ref name="MetOffice 2013b">MetOffice (2013): [http://www.metoffice.gov.uk/research/news/recent-pause-in-warming The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?]</ref>  
=== Erwärmumg von Land und Ozean ===
Analysen von Daten der [[Kategorie:Klimageschichte|geologischen Vergangenheit]] historischen Beobachtungen und [[Klimamodelle|Modellsimulationen]] haben gezeigt, dass sich das Land schneller als der Ozean erwärmt (Abb. 5).<ref name="IPCC 2019 2.2.1.2">IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems, 2.2.1.2</ref> So betrug die Temperaturdifferenz zwischen 2011-2020 und 1850-1900 über dem Land 1,59 °C, die der Oberflächentemperatur des Ozeans aber nur 0,88 °C.<ref name="IPCC 2021 TS" /> D.h. die globalen Landtemperaturen erhöhten sich in diesem Zeitraum ungefähr doppelt so stark wie die Meeresoberflächentemperaturen. Die Ursache liegt nicht nur in der unterschiedlichen Wärmekapazität zwischen Wasser und Land. Nicht weniger wichtig sind andere Faktoren wie die verschieden starke [[Verdunstung]], Feedbackprozesse zwischen Land und Atmosphäre und Änderungen des Einflusses anthropogener [[Aerosole]].<ref name="IPCC 2019 2.2.1.2" />  


Möglicherweise kommt auch eine Abnahme der [[Sonneneinstrahlung und Klimaänderungen|Sonneneinstrahlung]] als Verursacher in Frage. Die letzten drei Maxima um 1990, 2001 und 2013 zeigen einen deutlichen Abwärtstrend.<ref name="SIDC">Solar Influences Data Analysis Center (SIDC): [http://sidc.oma.be/sunspot-index-graphics/sidc_graphics.php International Sunspot Number]</ref>  Es ist daher davon auszugehen, dass der deutliche Abschwung des Schwabe-Zyklus zwischen 2002 und 2009 einen Einfluss darauf hatte, dass es im neuen Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts trotz weiterhin steigender [[Treibhausgase|Treibhausgaskonzentration]] keine weitere Zunahme der [[Globale Mitteltemperatur|globalen Mitteltemperatur]] gegeben hat <ref name="Lean 2010"> J.L. Lean (2010): Cycles and trends in solar irradiance and climate, WIREs Climate Change 1, 111-122</ref> Der Einfluss abnehmender Sonneneinstrahlung wird insgesamt jedoch als sehr gering eingeschätzt (s. Abb. 2). Selbst wenn die Sonnenaktivität bis zum Ende des Jahrhunderts auf das Niveau der Kleinen Eiszeit zurückgehen sollte, wird dadurch nicht mehr als ein Abkühlungseffekt von -0,1 °C erwartet.<ref name="Jones 2012">Jones, G. S., M. Lockwood, and P. A. Stott (2012): What influence will future solar activity changes over the 21st century have on projected global near-surface temperature changes?, Journal of Geophysical Research, 117, D05103, doi:10.1029/2011JD017013</ref>
Die Erwärmung der Atmosphäre durch die Erhöhung der Treibhausgaskonzentration führt dazu, dass die Atmosphäre mehr [[Wasserdampf]] aufnehmen kann. Dadurch wird über dem Land und über dem Meer die Verdunstung verstärkt. Aufgrund der nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehenden Wassermenge nimmt die Verdunstung über dem Meer infolge des Klimawandels stärker zu als über dem Land. Da Verdunstung abkühlend wirkt, erwärmt sich das Meer weniger stark. Die regional unterschiedliche Erwärmung des Ozeans ist auf der einen Seite stark von den [[Meeresströmungen]] und ihrer Veränderung abhängig. So wird die auffällige Abkühlung im Nordatlantik auf eine [[Abschwächung der thermohalinen Zirkulation|Abschwächung des Nordatlantikstroms]] zurückgeführt. Auf der anderen Seite spielt das Abschmelzen des [[Arktisches Meereis|Meereises in der Arktis]] eine Rolle. Allerdings wird dadurch das Oberflächenwasser des Nordpolarmeers abgekühlt, da weniger Eisbedeckung in der Polarnacht im Winter zu einer starken Wärmeabgabe des Ozeans an die Atmosphäre führt.


===Veränderte Energieverteilung===
Über dem Land spielen zusätzliche Feedbackprozesse zwischen der Landbedeckung und der Atmosphäre eine Rolle, die vor allem die [[Albedo]] beeinflussen. Durch die Erwärmung schmelzen auf der einen Seite [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Eis- und Schneeflächen]] ab, wodurch weniger Sonneneinstrahlung reflektiert und mehr [[Absorption|absorbiert]] wird, was zur Folge hat, dass sich die Luft über der Landoberfläche erwärmt. Andererseits breitet sich durch höhere Temperaturen die Bedeckung mit Wald und Strauchvegetation nach Norden und in die Höhe aus, was ebenfalls dunklere Flächen schafft und die Albedo verringert. Die Änderung der Vegetation beeinflusst außerdem den [[Kohlenstoffkreislauf]] und weitere Wechselwirkungen zwischen Land und Atmosphäre wie die mit der Bodenfeuchte. Ebenso bewirkt eine Temperaturerhöhung vor allem in hohen Breiten ein Auftauen von [[Permafrost]], wodurch [[Kohlendioxid]] und [[Methan]] freigesetzt werden und das Klima weiter erwärmen. Allerdings wird eine nennenswerte Freisetzung von Kohlenstoff durch tauenden Permafrost nach neueren Modelluntersuchungen nicht vor 2100 erfolgen.<ref name="IPCC 2019 2.5.3">IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems, 2.5.3</ref> Ein weiterer und regional sehr unterschiedlich wirkender Einflussfaktor auf die Temperatur sind anthropogene, durch menschliche Aktivitäten entstehende Aerosole, die insgesamt eine abkühlende Wirkung haben. [[Sulfataerosole]], die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen, haben nach dem 2. Weltkrieg vor allem über Europa und Nordamerika den Klimawandel gedämpft. Seit den 1990er Jahren hat sich die Aerosol-Verbreitung nach Ostasien und den pazifischen Raum verlagert und ist nicht mehr so stark über dem Land konzentriert wie zuvor.<ref name=Wallace 2018">Wallace, C. J., and M. Joshi (2018): Comparison of land-ocean warming ratios in updated observed records 25 and CMIP5 climate models. Environ. Res. Lett., 13, doi:10.1088/1748-9326/aae46f</ref>
[[Bild:Klimapause Land Ozean.jpg|thumb|480px|Abb. 3: Änderung der globalen 2m-Temperatur über dem Land, über dem Ozean und über Land und Ozean sowie Änderung des Wärmegehalts in den oberen 800 m des Ozeans im Verhältnis zum Mittelwert 1961-1990]]
Da die Veränderungen im [[Strahlungshaushalt der Atmosphäre|Strahlungshaushalt]] der Atmosphäre zu geringfügig sind, um die ausbleibende Erwärmung zu erklären, kann die Ursache nur in einer veränderten Umverteilung der zusätzlichen Energie durch [[Treibhausgase]] im [[Klimasystem]] liegen. Die zunehmende C<sub>2</sub>-Konzentration hat die Erwärmung des Klimasystems weiter vorangetrieben, aber eben nicht an in 2 m über der Eroberfläche, wo die globale Mitteltemperatur gemessen wird, sondern irgendwie darunter. Dafür kommt eigentlich nur der Ozean in Frage. Im Ozean können Änderungen in der vertikalen Zirkulation warmes Wasser in den tieferen Ozean verfrachten und kaltes Wasser an die Oberfläche bringen. Eine Ursache kann in der Ozean-Atmosphäre-Zirkulation liegen wie z.B. bei der El-Niño-Southern-Oscillation ([[ENSO]]), eine andere in Änderungen der Dichte des Ozeanwassers, z.B. durch Änderungen der Wassertemperatur oder des Salzgehaltes, wie etwa bei der thermohalinen Zirkulation im Nordatlantik.
 
==== Meeresoberflächentemperaturen ====
 
So war z.B. 1998 deshalb ein außergewöhnlich warmes Jahr, weil der stärkste je gemessenen [[El Niño 1997/98|El Niño]] die Temperaturen weltweit nach oben getrieben hat. Bei einem El Niño wird durch Umverteilung von Wassermassen im Pazifik kaltes Auftriebswasser im östlichen tropischen Pazifik unterdrückt und durch warmes Wasser aus dem westlichen Pazifik ersetzt. ENSO beeinflusst das Wetter rund um den Globus. Der Unterschied in der globalen Mitteltemperatur zwischen einer warmen El-Niño- und einer kalten La-Niña-Phase liegt bei 0,2 bis 0,3 °C.<ref name="MetOffice 2013b" /> Das entspricht etwa der geschätzten Erwärmungsrate pro Jahrzehnt durch den Anstieg von Treibhausgasen. Seit dem Jahr 2000 gab es kein größeres El-Niño-Ereignis; vielmehr dominierten im tropischen Pazifik La-Niña-Zustände. Es ist daher wahrscheinlich, dass das ENSO-Phänomen einen gewissen Beitrag zu der ausbleibenden Erwärmung in den 2000er Jahren geleistet hat. ENSO-Phasen halten jedoch immer nur für einige Monate an und können daher selbst im Zusammenwirken mit der schwächeren Solarstrahlung die Erwärmungspause des letzten Jahrzehnts nicht erklären (s. Abb. 2).
 
Auf längeren Zeitskalen gibt es großräumige Abkühlungs- und Erwärmungsphasen bei den Meeresoberflächentemperaturen (SST) im Nordatlantik durch die [[Natürliche_Klimaschwankungen|Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO)]], die zumindest teilweise von der [[Thermohaline Zirkulation|thermohalinen Zirkulation]] bzw. [[Meridionale Umwälzzirkulation (MOC)|Meridionalen Umwälzzirkulation (MOC)]] angetrieben wird. Der Nordatlantik hat sich seit den 1970er Jahren stark erwärmt, aber seit Beginn des neuen Jahrhunderts sind die Temperaturen nahezu konstant geblieben. Zur gegenwärtigen Erwärmungspause wird die AMO daher kaum etwas beigetragen haben. Auch wird der mögliche Beitrag als relativ gering eingeschätzt. Allerdings könnte der Atlantik in tieferen Schichten Wärme gespeichert haben.<ref name="MetOffice 2013b" />
[[Bild:PDO1975-2012.jpg|thumb|480px|Abb. 4: Temperatur-Index der Pazifischen Dekaden Oszillation, gemittlt über die Monate Mai bis September]]
Ähnliche Temperaturschwankungen wie im Nordatlantik gibt es auch bei der SST im Pazifik, die als Pazifische Multidekaden Oszillation (PDO) bezeichnet werden. Die Mechanismen sind noch wenig verstanden. Die Forschung geht aber davon aus, dass die PDO einen starken Einfluss auf das Klimasystem hat. In den späten 1970er Jahren zeigt der PDO-Index einen positiven Trend, der sich seit der Jahrhundertwende dann aber negativ entwickelt hat. Zusammen mit den vorherrschenden La-Niña-Zuständen könnte die PDO damit durchaus nennenswert zu der Erwärmungspause beigetragen haben. Das wird auch von Klimamodellrechnungen gestützt.<ref name="MetOffice 2013b" />
====Der tiefere Ozean====
Warum aber kam es zu dieser weiträumigen Ausbreitung von kälterem Wasser im Pazifik? Externe Gründe wie eine Änderung in der Einstrahlung scheiden dafür aus. Es  müssen daher wohl interne Austauschprozesse dafür gesorgt haben. D.h. ein großer Teil der Wärme, die der Ozean aufgrund der höheren Treibhausgaskonzentration aus der Atmosphäre aufgenommen hat, muss in den tieferen Ozean gelangt sein. Dabei ist daran zu erinnern, dass der Ozean aufgrund seiner hohen Wärmekapazität und seiner im Vergleich zur Atmosphäre viel größeren Masse ohnehin über 90 % der Erwärmung des Klimasystems seit der Mitte des 20. Jahrhunderts aufgenommen hat.<ref name="Roemmich 2012">Roemmich, D., W.J. Gould and J. Gilson (2012): 135 years of global ocean warming between the Challenger expedition an the Argo Programme, Nature Climate Change 2, 425–428, DOI: 10.1038/NCLIMATE1461</ref> Der größte Teil der Erwärmung fand in den oberen Schichten statt, aber auch darunter erwärmte sich der Ozean zunehmend. Die schwierige Auswertung von Beobachtungen legt den Schluss nahe, dass gerade die Temperatur zwischen 700 und 2000 m stärker steigen, während die Erwärmung in den oberen Schichten eher stagniert. Eine mögliche Ursache könnten Änderungen der Passatwinde und deren Wirkung auf großräumige Ozeanwirbel sein.<ref name="Balmaseda 2013">Balmaseda, M.A., K.E. Trenberth, and E. Källén (2013): Distictive climate signals in reanalysis of the global ocean heat content, Geophysical Research Letters 40, 1754-1759</ref>  Eine jüngere Berechnung mit einem nachträglichen [[Klimamodelle|Vorhersagemodell]] kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die zusätzliche Energie, die die Atmosphäre durch steigende Treibhausgase empfangen hat, primär von den oberen 700 m des Ozeans aufgenommen wurde. Dabei sollen der tropische Pazifik mit 42 %, der tropische Atlantik mit 25 % und der Nordatlantik mit 16 % an der erhöhten Wärmeaufnahme des Ozeans beteiligt gewesen sein.<ref name="Guemas 2013">Guemas, V., F J. Doblas-Reyes1, I. Andreu-Burillo and M. Asif (2013): Retrospective prediction of the global warming slowdown in the past decade, Nature Climate Change, DOI: 10.1038/NCLIMATE1863 </ref>
 
Es spricht also viel dafür, dass das Ausbleiben Erwärmung der unteren Atmosphäre seit der Jahrhundertwende dadurch zu erklären ist, dass ein großer Teil der zusätzlichen Energie durch die steigende Konzentration von Treibhausgasen vom Ozean aufgenommen worden ist. Allerdings reichen die vorliegenden Beobachtungsdaten nicht aus, um diese These definitiv zu belegen.<ref name="MetOffice 2013b" />
 
==Kalte Winter in Europa==
[[Bild:Temp_winter2009-10.jpg|thumb|480px|Temperaturabweichung im Winter 2009/10 vom Mittel der Jahre 1951-1980]]
[[Bild: Nao_negativ.jpg|thumb|320px|Druckverhältnisse, Strömungen und Wetterlagen bei einem negativen [[NAO-Index]] im Winter]]
* Hauptartikel: [[Kalte Winter in Europa]]
Die kalten Winter 2009/10 und 2010/11 haben dagegen nichts mit dem globalen Trend zu tun, sondern sind ein regional begrenztes Phänomen, das sich auf Teile von Europa, Russland und den USA beschränkt.<ref name="Guirguis 2011">Guirguis,K., A. Gershunov, R. Schwartz, and S. Bennett (2011): Recent warm and cold daily winter temperature extremes in the Northern Hemisphere, Geophysical Research Letters 38, doi:10.1029/2011GL048762, 2011</ref> Hier lagen die Temperaturen um einige Grad Celsius unter den Wintertemperaturen der Periode 1951-1980. Hauptursache für die Kältewellen in Europa, Sibirien und den USA war eine sehr schwach ausgebildete [[Nordatlantische Oszillation]] (NAO). Der Gegensatz der Druckverhältnisse zwischen dem Azorenhoch und dem Islantief war niedriger als gewöhnlich. Das führte zu stabilen Luftdruck-Mustern, die arktische Luft in die östliche USA und in das nördliche Eurasien lenkte. Die Temperaturverteilung entspricht ziemlich genau den Wetterlagen bei einer negativen NAO-Phase. Die NAO selbst unterliegt starken natürlichen Schwankungen von Jahr zu Jahr sowie einer Dekadenschwankung. Die schwache NAO allein hätte allerdings noch kältere Bedingungen erwarten lassen, so dass davon auszugehen ist, dass die globale Erwärmung die Kältewellen abgemildert hat. 
 
Neben dem Einfluss der NAO spielte möglicherweise auch das [[Klimaänderungen_in_Europa#Kalte_Winter_in_Europa|Abschmelzen des arktischen Meereises]] eine Rolle, das auch die Schwankungen der NAO beeinflusst haben könnte. Seit 2005 hat sich der sommerliche Rückgang des arktischen Meereises deutlich beschleunigt. Das hat zu einer Destabilisierung des Polarwirbels geführt, so dass kalte und feuchte Luft aus der Arktis bis nach Nordamerika, Nordeuropa und Nordostasien vordringen konnte. Näheres s. [[Meereis#Klimatische_Folgen|Meereis: Klimatische Folgen]]
 
Global gesehen waren die Winter 2009/10 und 2010/11 keineswegs ungewöhnlich kalt. Und auch eine Betrachtung nur der Nordhalbkugel zeigt, dass eher die ungewöhnlich warmen Bedingungen überwogen.<ref name="Guirguis 2011" /> Besonders hohe Temperaturen hatten etwa Nordwest-Kanada und die Arktis zu verzeichnen, mit 4 °C und mehr über dem angegebenen Mittel. Die ungewöhnlich warmen Ereignisse in den beiden Wintern 2009/10 und 2010/11 waren insgesamt sogar dominierender als die kalten Ereignisse. Räumlich gesehen gab es mit 25-30 % der gesamten Festlandfläche der Nordhemisphäre größere Gebiete mit ungewöhnlich warmen Bedingungen als mit ungewöhnlich kalten Verhältnissen, die nur auf etwa 10 % der Fläche dominierten. Diese warmen Extreme können nicht durch die [[Natürliche Klimaschwankungen|natürlichen Klimaschwankungen]] erklärt werden und sind wohl eine Folge der globalen Erwärmung.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* Klimafakten: [https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-die-globale-erwaermung-stoppte-1998-0 Fakt ist: Es gab und gibt keine "Pause" der Erderwärmung]  
* Klimafakten: [https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-die-globale-erwaermung-stoppte-1998-0 Fakt ist: Es gab und gibt keine "Pause" der Erderwärmung]  
* National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA): [http://www.noaanews.noaa.gov/stories2011/20110112_globalstats.html 2010 Tied For Warmest Year on Record]
* Klimadaten der amerikanischen Wetterbehörde [https://www.ncdc.noaa.gov/temp-and-precip/global-maps/ NOAA]
* Klimadaten der amerikanischen Wetterbehörde [http://www.ncdc.noaa.gov/cmb-faq/anomalies.php#anomalies NOAA]
* Klimadaten der [http://data.giss.nasa.gov/gistemp/ NASA]
* Klimadaten der [http://data.giss.nasa.gov/gistemp/ NASA]
* Klimadaten des [http://www.metoffice.gov.uk/hadobs/hadcrut3/ Hadley Centre] (GB)
* Klimadaten des [http://www.metoffice.gov.uk/hadobs/hadcrut3/ Hadley Centre] (GB)
* Klimadaten von [https://berkeleyearth.org/whats-new/?cat=temperature-updates Berkeley Earth]
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==Bildergalerie zum Thema==
* Bilder zu: [[Klimaänderungen global (Bilder)]]
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== Lizenzhinweis ==
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Aktuelle Version vom 29. Februar 2024, 20:30 Uhr

Abb. 1: Globale Jahresmittelwerte der bodennahen Lufttemperatur und Jahrzehntmittelwerte. 2023: vorläufig
Abb. 2: Änderung der globalen Mitteltemperatur 1850-2020: Jahresmittel, gleitende 10-Jahresmittel und Dekaden-Mittel.

Die globale Mitteltemperatur

Globale Temperaturerhöhung

Die globale Mitteltemperatur hat sich besonders seit 1980 stark erhöht und ein im 20. Jahrhundert unübertroffenes Niveau erreicht. Abb. 1 zeigt die globalen Jahresmitteltemperaturen mit Bezug auf das Mittel 1901-2000. Deutlich sind einerseits starke Schwankungen von Jahr zu Jahr sichtbar, andererseits insgesamt ein deutlicher Temperaturanstieg über die letzten vier Jahrzehnte. Von den zehn wärmsten Jahren der gesamten Periode liegen alle bereits in den 2010er Jahren und danach. 2016, 2020, 2019, 2015, 2017, 2022, 2021, 2018, 2014 und 2010 waren in absteigender Reihenfolge die bisher wärmsten Jahre der Messreihe.[1] Dabei hat das Tempo der Erwärmung deutlich zugenommen. So betrug die Temperaturzunahme pro Jahrzehnt im Zeitraum 1901-1950 ca.0,10 °C, zwischen 1979 und 2012 dagegen ca. 0,27 °C.[2] Im ersten Fall würde das eine Erwärmung von 1 °C in 100 Jahren bedeuten, im zweiten von fast drei Grad pro Jahrhundert. Die letzten 10 Jahre 2011 bis 2020 waren um 1,1 °C wärmer als die als „vorindustriell“ definierte Periode 1850-1900. Das Jahrzehnt 2011-2020 ist damit nach Einschätzung des Weltklimarats IPCC das wahrscheinlich wärmste Jahrzehnt seit der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 125.000 Jahren.[3] Das Jahr 2016 lag mit 1,37 °C und das Jahr 2020 mit 1,36 °C über dem vorindustriellen Wert (1850-1900).[4]

Die globale Mitteltemperatur erfasst sowohl die Daten über dem Land wie die Meeresoberflächentemperaturen. Da 71 % der Erdoberfläche von den Ozeanen bedeckt sind, kommt den Meeresoberflächendaten sogar eine deutlich größere Bedeutung für die globale Mitteltemperatur zu als den Landtemperaturen. Andererseits lebt die Menschheit auf den Landflächen und erfährt den Klimawandel vor allem hier. Die Erwärmung des Klimas durch den Menschen ist hier fast doppelt so stark wie über den Ozeanen (s.u.) und betrug zwischen 2011-2020 und 1850-1900 1,59 °C.[3] Damit leben und wirtschaften die Menschen bereits in einer Welt von mehr als 1,5 °C Temperaturerhöhung, die nach den Beschlüssen der Klimakonferenz in Paris 2015 global (über Land und Meer) in diesem Jahrhundert möglichst nicht überschritten werden sollte. Die Erwärmung läuft allerdings auch über dem Land je nach Region unterschiedlich ab. Verhältnismäßig gering erwärmen sich die Kontinente auf der Südhalbkugel und in den Tropen, besonders stark die hohen nördlichen Breiten Nordamerikas und Eurasiens. So hat sich die Arktis mit einer Temperaturerhöhung von 3,1 °C zwischen 1971 und 2019 etwa dreimal so stark erwärmt wie der globale Durchschnitt.[5]

Abb. 3: Die globale Oberflächentemperatur 1979 bis Januar 2024 in °C. Die globale Mitteltemperatur 2023 übertrifft vor allem in der zweiten Jahreshälfte deutlich alle anderen Jahre.

2023 - das wärmste Jahr!

2023 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen. Die globale Mitteltemperatur lag nach dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union mit 1,48 °C über der vorindustriellen Periode 1850-1900 nur noch knapp unter der 1,5-Grad-Grenze, die nach dem Klimaabkommen von Paris (2015) im 21. Jahrhundert längerfristig nicht überschritten werden sollte, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Und 2023 übertraf mit 0,17 °C deutlich das bisher wärmste Jahr 2016.[6] Nach einem kühlen Beginn aufgrund vorherrschender La-Nina-Bedingungen war jeder Monat seit Juni bis Oktober der wärmste je gemessene Monat seit 1991. Juli und August lagen um 0,3 °C über dem jeweils früheren Rekord-Monat, der September sogar um 0,5 °C. Einen solchen Abstand zu früheren Rekord-Monaten wie im September hatte es noch nie gegeben. Bei den absoluten Temperaturen lag der Juli 2023 zum ersten Mal über der 17-Grad-Marke.[7] Anfang Juli wurde der wärmste je gemessene Tag registriert. Fast die Hälfte der Tage des Jahres 2023 zeigten eine Mitteltemperatur von über 1,5 °C.[6] Die Ausdehnung des antarktischen Meereises war auf einem beispiellos niedrigen Niveau mit weniger als 2,7 Mio. km2 unter dem Mittel von 1991-2023. Und über Kanada dehnten sich Waldbrände über nie erfahrene Flächen aus und signalisierten vielleicht den Beginn eines neuen Feuerregimes.[8] Zugleich zeigte der Sommer 2023 global außergewöhnlich hohe Meeresoberflächentemperaturen. Normalerweise wird die höchste Meeresoberflächentemperatur im März gemessen, was mit der größeren Wassermasse auf der Südhalbkugel im Vergleich zur Nordhemisphäre zusammenhängt, und nimmt dann ab. 2023 stieg die Temperatur an der Wasseroberfläche dagegen ab Mai wieder an und erreichte einen Rekordwert im August von fast 21 °C, womit der Mai 2023 mit Abstand der wärmste je gemessene Monat war.[9]

Das Jahr 2023 war möglicherweise der Einstieg in eine von der Menschheit nie erfahrenen Klimaperiode. Das schnelle Tempo des Wandels hat Wissenschaftler überrascht und Besorgnis über die Gefahren extremer Wetterbedingungen hervorgerufen.[8] Die Grenze von 1,5 °C, die nach dem Paris-Abkommen von 2015 die Grenze zu einem gefährlichen Klimawandel markiert, wurde nur knapp unterschritten. Allerdings ist damit die Mitteltemperatur über einen längeren Zeitraum gemeint, nicht nur über ein Jahr oder gar einen Monat.[10]

Ursachen

Die längerfristigen Temperaturveränderungen über Jahrzehnte werden zunehmend durch den steigenden Gehalt anthropogener Treibhausgase in der Atmosphäre bestimmt. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre liegt inzwischen bei 420 ppm, die Methan-Konzentration bei 1920 ppb und die Disticksoff-Konzentration bei fast 337 ppb, mit langfristig unveränderten Steigerungsraten.[11] In den Schwankungen von Jahr zu Jahr dagegen zeigen sich natürliche Einflussfaktoren, vor allem durch das ENSO-System (Abb. 4).

Abb. 4: Globale Temperaturen und ENSO. Globale Monatsmitteltemperaturen und El-Niño- und La-Niña-Jahre 1950-2022

Das bisher wärmste Jahr, 2016, war durch einen starken El Niño, eine periodisch auftretende ungewöhnliche Erwärmung im tropischen Pazifik, beeinflusst, während im Jahr 2017 eine schwache La Niña, die kühle Gegenphase zum warmen El Niño,[12] und 2019 eine neutrale Situation vorherrschten. Ab 2020 dominierte eine längere La-Niña-Phase.[13] Als Folge stiegen die Temperaturen ab 2021 nicht weiter an, blieben aber deutlich über dem Niveau von vor 2015, als der leztzte starke El Niño einsetzte, und zeigen damit die Auswirkungen der Erwärmung durch anthropogene Treibhausgase. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass ein neuer El Niño auf dem Weg ist, da die Oberflächentemperaturen im östlichen Pazifik eine klare Erwärmung zeigen.[14] Als Folge könnte die globale Mitteltemperatur in den nächsten Jahren wieder stärker ansteigen, wobei höchstwahrscheinlich sogar die auf der Klimakonferenz von Paris geforderte 1,5-Grad-Grenze überschritten wird.[15] Zwischen den wichtigsten Temperaturreihen der NASA, der amerikanischen Wetterbehörde NOAA und des britischen MetOffice gibt es in dieser Hinsicht weitgehende Übereinstimmung.[16]

Dann befindet sich der 11-jährige Solarzyklus in einer positiven Phase. Weiterhin hat es im Januar 2022 den ungewöhnlichen untermeerischen Vulkanausbruch des Hunga Tonga gegeben, bei dem sehr viel Wasserdampf in die Stratosphäre gelangt ist, aber nur wenige Sulfat-Aerosole entstanden. Und schließlich wurden 2020 durch ein internationales Abkommen die Schwefeldioxid-Emissionen durch den Schiffsverkehr um 8,5 Mio. t pro Jahr auf 2,5 Mio. t reduziert, was eine abrupte Abnahme der globalen SO2-Emissionen um 10% bedeutete.[7][17]

Die Wirkung von Aerosolen reicht jedoch über die Maßnahme beim Schiffsverkehr weit hinaus. Durch menschliche Aktivitäten ist es im 20. Jahrhundert zunächst zu einer sich verstärkenden Emission von Aerosolen, und zwar besonders von SO2-Aerosolen, gekommen. Das hat dazu geführt, dass die globale Erwärmung abgeschwächt wurde, weil Aerosole durch die Reflektion von Sonnenstrahlung und die Förderung der Wolkenbildung eine Abkühlung bewirkten. Seit den 2000er Jahren hat die Luftreinhaltepolitik in zahlreichen Staaten jedoch dazu geführt, dass die SO2-Emissionen auch global zurückgegangen sind, in manchen Regionen wie Europa und Nordamerika auch schon seit den 1970er und 1980er Jahren. Die Folge war eine Verringerung des Abkühlungseffekts durch Aerosole, wodurch sich die Erwärmung durch die zunehmenden Treibhausgase ungehinderter bemerkbar machen konnte. Nach Jenkins et al. (2022) hat sich dadurch die Zunahme der globalen Mitteltemperatur von 0,18 °C/Jahrzehnt in den 2000er Jahren auf 0,35 °C/Jahrzehnt in den 2010er Jahren fast verdoppelt.[18]

Tages- und Nachttemperaturen und das Stadtklima

Bei einem Vergleich zwischen Tages- und Nachttemperaturen zeigt sich, dass die Minimumtemperaturen zwischen 1950 und 2004 stärker als die Maximumtemperaturen zunahmen und der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperaturen dadurch abnahm. Dieser Trend war besonders ausgeprägt zwischen 1960 und 1980 und nahm danach ab. In einigen Regionen wie Europa und Australien kam es sogar zu einer Zunahme der Differenz zwischen Tages- und Nachttemperaturen nach 1980.[19] Die abnehmende Tag-Nacht-Differenz hat zu der Vermutung geführt, dass dafür eventuell die zunehmende Verstädterung mitverantwortlich sein könnte, da die urbanen Wärmeinseln die Nachttemperaturen stärker als die Tageswerte beeinflussen.[20] Im Hinblick auf die jährlichen globalen Mitteltemperaturen spielt die Verstädterung allerdings nur eine zu vernachlässigende Rolle. Regional und lokal kann die Urbanisierung jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit von Extremereignissen, wie besonders Hitzewellen, haben.[21]

Land und Ozean

Die Rolle des Ozeans

Bei Betrachtung der gesamten Energie, die durch menschliche Aktivitäten in das Klimasystem gelangt, sollte man jedoch nicht nur die Atmosphäre berücksichtigen. Der allergrößte Teil der zusätzlichen Energie, die zwischen 1971 und 2010 das Erdsystem erwärmt hat, nämlich über 90 %, wurde vom Ozean aufgenommen.[22] Die Erwärmung des Ozeans zeigt sich vor allem in den oberen 700 m Wasserschicht, aber auch zwischen 700 und 2000 m Tiefe. Der Ozean ist insofern in mancher Hinsicht ein besserer Indikator für die globale Erwärmung des Klimasystems durch den Menschen als die globale Oberflächentemperatur. Er nimmt nicht nur die mit Abstand größte Menge an zusätzliche Wärme auf, sondern zeigt auch weniger Schwankungen von Jahr zu Jahr und spiegelt damit besser die stetige Zunahme von anthropogenen Treibhausgasen wider als die einer stärkeren Variabilität unterliegenden atmosphärischen Temperaturen. Bei Berücksichtigung des Ozeans hat es daher auch die viel diskutierte „Erwärmungspause“ in den 2000er Jahren gar nicht gegeben.[23] Die ‚Erde‘ hat sich weiterhin erwärmt; nur ist ein größerer Teil der Wärmemenge in den Ozean gegangen. Durch seine großes Volumen und seine hohe Wärmekapazität ist der Ozean mit Abstand das größte Wärme-Reservoir im Klimasystem. Die Wärmeaufnahme durch den Ozean stellt daher einen Puffer bei Klimaänderungen dar und verlangsamt im gegenwärtigen Klimawandel deutlich die Erwärmungsrate der Atmosphäre. Andererseits ist die durch die Wirkung der Treibhausgase dem Klimasystem hinzugefügte Energie dadurch nicht 'verschwunden' und kann vom Ozean wieder an die Atmosphäre abgegeben werden.

Abb. 5: Veränderung der globalen Oberflächentemperatur über dem Land (rot) und der Meeresoberflächentemperatur (blau) 1880-2022 im Vergleich zur Basis 1951-1980

Erwärmumg von Land und Ozean

Analysen von Daten der historischen Beobachtungen und Modellsimulationen haben gezeigt, dass sich das Land schneller als der Ozean erwärmt (Abb. 5).[24] So betrug die Temperaturdifferenz zwischen 2011-2020 und 1850-1900 über dem Land 1,59 °C, die der Oberflächentemperatur des Ozeans aber nur 0,88 °C.[3] D.h. die globalen Landtemperaturen erhöhten sich in diesem Zeitraum ungefähr doppelt so stark wie die Meeresoberflächentemperaturen. Die Ursache liegt nicht nur in der unterschiedlichen Wärmekapazität zwischen Wasser und Land. Nicht weniger wichtig sind andere Faktoren wie die verschieden starke Verdunstung, Feedbackprozesse zwischen Land und Atmosphäre und Änderungen des Einflusses anthropogener Aerosole.[24]

Die Erwärmung der Atmosphäre durch die Erhöhung der Treibhausgaskonzentration führt dazu, dass die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Dadurch wird über dem Land und über dem Meer die Verdunstung verstärkt. Aufgrund der nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehenden Wassermenge nimmt die Verdunstung über dem Meer infolge des Klimawandels stärker zu als über dem Land. Da Verdunstung abkühlend wirkt, erwärmt sich das Meer weniger stark. Die regional unterschiedliche Erwärmung des Ozeans ist auf der einen Seite stark von den Meeresströmungen und ihrer Veränderung abhängig. So wird die auffällige Abkühlung im Nordatlantik auf eine Abschwächung des Nordatlantikstroms zurückgeführt. Auf der anderen Seite spielt das Abschmelzen des Meereises in der Arktis eine Rolle. Allerdings wird dadurch das Oberflächenwasser des Nordpolarmeers abgekühlt, da weniger Eisbedeckung in der Polarnacht im Winter zu einer starken Wärmeabgabe des Ozeans an die Atmosphäre führt.

Über dem Land spielen zusätzliche Feedbackprozesse zwischen der Landbedeckung und der Atmosphäre eine Rolle, die vor allem die Albedo beeinflussen. Durch die Erwärmung schmelzen auf der einen Seite Eis- und Schneeflächen ab, wodurch weniger Sonneneinstrahlung reflektiert und mehr absorbiert wird, was zur Folge hat, dass sich die Luft über der Landoberfläche erwärmt. Andererseits breitet sich durch höhere Temperaturen die Bedeckung mit Wald und Strauchvegetation nach Norden und in die Höhe aus, was ebenfalls dunklere Flächen schafft und die Albedo verringert. Die Änderung der Vegetation beeinflusst außerdem den Kohlenstoffkreislauf und weitere Wechselwirkungen zwischen Land und Atmosphäre wie die mit der Bodenfeuchte. Ebenso bewirkt eine Temperaturerhöhung vor allem in hohen Breiten ein Auftauen von Permafrost, wodurch Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden und das Klima weiter erwärmen. Allerdings wird eine nennenswerte Freisetzung von Kohlenstoff durch tauenden Permafrost nach neueren Modelluntersuchungen nicht vor 2100 erfolgen.[25] Ein weiterer und regional sehr unterschiedlich wirkender Einflussfaktor auf die Temperatur sind anthropogene, durch menschliche Aktivitäten entstehende Aerosole, die insgesamt eine abkühlende Wirkung haben. Sulfataerosole, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen, haben nach dem 2. Weltkrieg vor allem über Europa und Nordamerika den Klimawandel gedämpft. Seit den 1990er Jahren hat sich die Aerosol-Verbreitung nach Ostasien und den pazifischen Raum verlagert und ist nicht mehr so stark über dem Land konzentriert wie zuvor.[26]

Einzelnachweise

  1. NOAA (2021): Climate at a Glance. Global Time Series
  2. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 2.4
  3. 3,0 3,1 3,2 IPCC (2021): Technical Summary, in: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Cross-Section Box TS.1
  4. Berkeley Earth (2023): Global Temperature for 2022
  5. AMAP (2021): Arctic Climate Change Update 2021: Key Trends and Impacts. Summary for Policy-makers
  6. 6,0 6,1 Copernicus Climate Change Service (2024): Global Climate Highlights 2023
  7. 7,0 7,1 Hausfather, Z., Carbon Brief (2023): State of the climate: Global temperatures throughout mid-2023 shatter records
  8. 8,0 8,1 Ripple, W.J., C. Wolf, J.W. Gregg et al. (2023): The 2023 state of the climate report: Entering uncharted territory, BioScience, 2023;, biad080
  9. Copernicus (2023b): Record high global sea surface temperatures continue in August
  10. Berkeley Earth (2023): September 2023 Temperature Update
  11. NOAA - Global Monitoring Laboratory (2023): Carbon Cycle Greenhouse Gases
  12. Met Office (2018): 2017: warmest year on record without El Niño
  13. World Meteorological Organization, WMO (2023): State of the global climate 2022
  14. NOAA (2023): What to watch for: El Nino likely to develop this summer
  15. WMO (2023): WMO Update: El Niño may return
  16. CarbonBrief (2021): State of the climate: 2020 ties as warmest year on record
  17. Hausfather Z, Forster P. 2023. Analysis: How low-sulphur shipping rules are affecting global warming. Carbon Brief
  18. Jenkins, S., R. Grainger, A. Povey, A. Gettelman, P. Stier and M. Allen (2022): Is Anthropogenic Global Warming Accelerating?, J. Climate, 1–43
  19. Thorne, P. W., et al. (2016): Reassessing changes in diurnal temperature range: Intercomparison and evaluation of existing global data set estimates, J. Geophys. Res. Atmos., 121, 5138– 5158, doi:10.1002/2015JD024584.
  20. IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems, Cross-Chapter Box 4 - Climate change and urbanisation
  21. IPCC (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis, Box 10.3
  22. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 3.1
  23. MetOffice (2013): The recent pause in global warming (1): What do observations of the climate system tell us?; MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?
  24. 24,0 24,1 IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems, 2.2.1.2
  25. IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems, 2.5.3
  26. Wallace, C. J., and M. Joshi (2018): Comparison of land-ocean warming ratios in updated observed records 25 and CMIP5 climate models. Environ. Res. Lett., 13, doi:10.1088/1748-9326/aae46f

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